+++ Szenen für Morgen: Live-Blog zum Thema Klimafolgenanpassung +++

Die Nominierten

Aus dem Englischen von Gerhild Steinbuch
Sivan Ben Yishais „Nora“ ist gewitztes Metadrama, klassismuskritischer Klassikerkommentar und kluge Kanonbefragung zugleich. Die emanzipatorische Handlung von Ibsens Original spielt kaum eine Rolle, Ben Yishai interessiert sich mehr für theaterimmanente Unterdrückungsmechanismen und rückt die Nebenfiguren in den Vordergrund. „Nora“ ist bei ihr eine erfolgreiche Show, mit der die Hauptdarstellerin und ihr Mann seit 140 Jahren um die Welt touren. Der Rest des Ensembles wurde längst entlassen – ... weiterlesen
Wie davon erzählen, vom vermeintlichen Ankommen als Arbeitsmigrant*innen-Kind im bundesdeutschen Wohlstandswesten? Von den Erinnerungen an die dauergestresste Mutter, die von Job zu Job hetzen musste, das Kind während der Putzschichten irgendwo mit einem Malblock geparkt? Von den Deutschen, die durch sie hindurchgesehen haben? Wie davon erzählen, wenn man keinen Leidenskitsch verbreiten, nicht in Klassismusklischees abrutschen, keinen ‚Working-Class-Erinnerungsporn‘ schreiben will? „Juices“ ... weiterlesen
6+
Es hat geschneit und das Grau von Winterstadt ist einem glitzernden Weiß gewichen. Winterkind und ihr Weggefährte Herr Jemineh – er ist so winzig, dass er in eine Manteltasche passt – machen sich auf die Suche nach Essbarem. Dabei finden sie nicht nur ihr Frühstück, sondern auch einen magischen Zauberwürfel, mit dem sie plötzlich fremde Sprachen verstehen können. Ungeahnte Möglichkeiten tun sich auf und es kommt zu überraschenden Begegnungen, etwa mit einer hilfsbereiten Ratte. In Marion ... weiterlesen
6+
In „Dunkelschwarz“ beschreibt Iona Daniel unendlich viele Dunkelheiten. Nicht nur, dass die Dunkelheit hier selbst zur Sprache kommt und ihren Frust darüber ablässt, dass die Menschen, statt das Dunkel zu bewundern, immer nur das darin leuchtende Licht schön finden. Wir kriegen auch noch Tipps, wie sich Dunkelheit am besten einfangen lässt.In einer eigenwillig poetischen und phantastischen Sprache, die einen bizarren Witz besitzt, beschwört die Autorin alle möglichen Arten von Dunkelheiten, so ... weiterlesen
6+
Eine hat die Nase endgültig voll, sich auf dem Spielplatz immer der Phantasieherrschaft ihrer Freundin zu unterwerfen. Ein anderer muss damit zurechtkommen, dass sein Freund nicht nur ein Zimmer für sich allein besitzt, sondern auf dem Schrank auch noch ein rauchender Vulkan steht. Wieder einer mag partout nicht ins Altersheim, um seinem Uropa beim Sterben zuzusehen. In shortcutartigen Szenen zeigt uns Freyer einen Reigen aus Figuren, die mit sich und anderen ringen, die alltägliche Abgründe ... weiterlesen
„Alle Gewalt geht von der Familie aus“, lautet die Kernthese in diesem Stück, das sich mit Deutschland beschäftigt. Mit der Kälte und der von Hass geprägten Stimmungslage im Land. Mit Deutschland im Herbst. Dabei will Rainald Goetz hier eigentlich von der Liebe erzählen. Davon, wie sie die Menschen beseelt und durch sie alles möglich scheint. Doch die Liebe zwischen Bea und Ramin, die Anfang der Neunziger im thüringischen Krölpa ein Paar werden, scheitert. Stattdessen tut sich Bea mit dem ... weiterlesen
9+
Im Krieg gibt es keine Freundschaften. Oder doch? In Henner Kallmeyers mit klassischen Motiven angereichertem Text scheint genau dieses Experiment zu gelingen. Während um Briseis und Spourgitis seit Jahren Gefechte toben, finden die beiden Kinder im Inneren des trojanischen Pferds zueinander. Keine Selbstverständlichkeit, zumal sie zu Eltern gehören, die auf unterschiedlichen Seiten kämpfen. Um die Feindschaft unter den Erwachsenen zu überwinden, finden sie vor allem ein Format, das mit den ... weiterlesen
living on a damaged planet (τύφλωσίς, II)
In seiner Überschreibung der Ödipus-Tragödie hat Thomas Köck „nur ein zwei parameter verändert“. Vor allem ist die Seuche, von der Theben heimgesucht wird, in seiner Version nicht die Pest, sondern „das system“. Pythia, das Orakel von Delphi, hat das durchschaut – aber natürlich will niemand etwas davon wissen, am allerwenigsten der Chor der „wohlstandswutschnaubenden“ Greise, die sich ihre Hybridboliden und achtspurigen Straßen nicht nehmen lassen wollen. Aber auch der konservative Seher ... weiterlesen
9+
Wenn Ida nach Hause kommt, weiß sie nie, was sie erwartet. Ist ihre Mutter wach? Gibt es Mittagessen oder muss sie selber kochen? Um mit ihrer alkoholkranken Mutter zurechtzukommen, machen Ida und ihr imaginärer Freund, der Polarforscher Scott, sie zum gemeinsamen Forschungsprojekt: Aufgeteilt in eine Nordpol- und eine Südpolmutter werden die widersprüchlichen Verhaltensmuster dokumentiert und ausgewertet. So schafft es Ida, einen differenzierten und dennoch liebevollen Blick auf ihre Mutter zu ... weiterlesen
Haben Sie sich je gefragt, warum es in westdeutschen Nachkriegsfamilien so angestrengt normal zuging, warum so schweigsam, so gefühlskalt? Dann kann Ihnen kaum Aufregenderes, kaum Aufrichtigeres begegnen als „The Silence“ von Falk Richter. Der 54-jährige Autor und Regisseur befragt sein Gedächtnis, interviewt seine Mutter, enthüllt eine über Generationen eingeübte Doppelmoral, die ausblendet, was nicht in die Eigenheimidylle passt. Großväter, verroht vom Krieg. Ein Vater, verschlossen wie ein ... weiterlesen
ANTHROPOLIS II
Ödipus, der antike König, der ahnungslos zum Vatermörder wird und seine eigene Mutter ehelicht, ist uns allen bekannt. Was aber wissen wir über das Mordopfer, seinen Vater Laios? Roland Schimmelpfennigs gleichnamiges Stück schließt freilich mehr als eine schlichte Wissenslücke. Der Dramatiker schickt eine Erzählstimme in die Spur, die Hypothesen durchspielt und verwirft, Gedanken wieder und wieder überschreibt und dabei Fragen um Macht, Historie und Moral luzide zwischen Antike und Gegenwart ... weiterlesen
Anna ist auf der Flucht, in doppelter Hinsicht. Im Herkunftsland wird sie politisch verfolgt – und am aktuellen Aufenthaltsort von ihrem gewalttätigen Ehemann gestalkt. „Wenn der mich findet“, sagt sie, „macht der mich tot“. Anna ist eine von sechs Protagonistinnen, die in Felicia Zellers Stück Zuflucht in einem Frauenhaus gefunden haben. Auf der Grundlage von Interviews zeigt die Dramatikerin nicht nur in hochkomplexer Weise weibliche Gewalterfahrungen quer durch alle Altersgruppen, sozialen ... weiterlesen