Die Nominierten

Ihr Sehnsuchtsruf geht ausnahmsweise nicht nach Moskau, sondern nach „Amerika!“. Die drei „Sistas!“, die Golda Barton eineinviertel Jahrhunderte sehr frei nach Tschechows „Drei Schwestern“ in die deutsche Hauptstadt verpflanzt hat, sind waschechte Berlinerinnen mit zupackendem Mundwerk und gediegen kulturbürgerlichem Hintergrund, kunstinteressiert, bewohnen eine großzügige Berliner Altbauwohnung mit Parkett und Stuck, im Garten stehen Birken. Alle drei sind PoC, ihr Vater war US-GI, verheiratet ... weiterlesen
7+
Ein Feuerwehrmann tritt auf, eine Vorstellung wird abgesagt, ein Telefon klingelt ins Leere, die gute alte Aktentasche birgt Abgründe, in einer Handtasche tobt ein Sturm. Klassische Zutaten für ein surreales Theater, mit dem Marc Becker auf wunderbare Weise die Unbeherrschbarkeit des Nichts in den Griff zu kriegen versucht. Absurd, verspielt, dabei aber niemals beliebig. Jede noch so große Skurrilität fordert hier ihre Konsequenz – und all das in einer Karl-Valentinesken Sprache, bei der der ... weiterlesen
Die im Vorjahr mit dem Mülheimer Dramatikpreis ausgezeichnete Autorin nimmt sich in ihrem neuen Stück das Theater selbst vor. Zuerst analysiert Sivan Ben Yishai das Geschehen auf der Bühne, wo Schauspielerinnen und Schauspieler sich als kritische Künstlerinnen und Künstler verstehen, solange sie damit nicht ihre Festanstellung gefährden. Danach liegt der Fokus auf dem Zuschauerraum, wo lauter Menschen sitzen, die bereits vor Beginn der Vorstellung am liebsten wieder zu Hause wären. Am Ende ... weiterlesen
Katja Brunner hat 2013 für „von den beinen zu kurz“ den Mülheimer Dramatikpreis gewonnen. Zehn Jahre später ist die Schweizer Autorin wieder für die „Stücke“ nominiert. „Die Kunst der Wunde“ ist eine lose Folge von kleinen Szenen und Monologen, die durch ein großes Thema verbunden sind: den Zugriff der Gesellschaft auf das Individuum. An diesem Thema arbeitet das Stück sich in wechselnden Tonlagen und Situationen ab: Erziehung und Beziehung, Krankheit und Arbeit, Staat und Familie. „Schau wie ... weiterlesen
9+
Der Endboss muss besiegt werden. Darin sind sich FRI, SOP und KAR einig. Wer sonst könnte die Welt retten, wenn nicht die drei Freunde mit ihren Superkräften. Mutig stellen sie sich den Gefahren ihrer digitalen Mission. Warum auch nicht, wer im Computerspiel stirbt, beginnt einfach wieder von Neuem. Im realen Leben sieht es aber ganz anders aus. Der Wechsel in eine weiterführende Schule steht an und der Entscheidungsdruck ist enorm. Vor allem, wenn man von Haus aus vielleicht nicht so gefördert ... weiterlesen
7+
„Wenn die Sonne eine Honigmelone wär?“ Drei wollen ins All fliegen. Ausgestattet hat sie die Autorin Anah Filou mit allerhand raffinierten Erfindungen, von der Anschnallgurt-Zurückschnalzfeder bis zum Weltraumschrott-Wolken-Staubsaugungsgerät ist alles dabei. Nur dass man sich miteinander noch auf ein Startsignal einigen muss und die Frage bleibt, was man dort überhaupt will? Das Stück erzählt von den Sekunden vor dem Abflug und davon, wie aus Träumen Pläne werden, aus Plänen Ziele und wie ... weiterlesen
Wer hätte vermutet, dass sich aus den guten alten, leicht sentimentalen Bremer Stadtmusikanten ein bitterböses Diskurs-Märchen auf dem Stand der aktuellen kritischen Debatten reimen lässt? Das musikalisch nicht immer harmonische Quartett – Esel, Hund, Huhn und Katze – beweist in Martin Heckmanns’ Überschreibung jedenfalls höchst menschliches Krisenbewusstsein, politisch und soziologisch erstaunlich beschlagen. Zum Beispiel Hund Schlau: „Das hängt alles zusammen mit der Welt-, Leistungs-, ... weiterlesen
6+
Ein blindes Huhn verirrt sich in einen trostlosen Hinterhof, wo eine lahme Ente ein einsames und beschauliches Leben fristet. Vielleicht ein neuer gefiederter Mitbewohner, denkt sich die überraschte Ente hoffnungsfroh. Zu dumm, dass sich das rastlose Huhn in den Kopf gesetzt hat, jenen Ort zu finden, wo die geheimsten Wünsche in Erfüllung gehen. Ein Blindenhund wäre dafür zwar der ideale Weggefährte, doch auch eine lahme Ente wäre, mangels Alternative, eine denkbare Begleitung. Nur, die Welt ... weiterlesen
Schon wieder Jelinek? Ja. Aber es muss sein. Mit „Angabe der Person“ hat die österreichische Literaturnobelpreisträgerin ein Stück vorgelegt, an dem man in der Auswahl für Mülheim nicht vorbeikommt. Ausgehend von einer Steuerfahndung, die in ihr intimstes Privatleben eindrang, zieht die Autorin eine Art Schreibens- und Lebensbilanz – nicht, ohne in ätzenden Gedanken-Loops weiter auszugreifen: auf die Finanzwirtschaft, die NS-Vergangenheit, auf Deutschlands „Untaten“ und „Untoten“, Nazis und ... weiterlesen
Katzenbilder auf Instagram spiegeln vor allem das Kuschelbedürfnis ihrer Betrachter. Eleonore spiegelt nur sich selbst, ist sich selbst genug – als Katze, nicht als Frau. Und kuschelt mit niemandem. Es braucht allerdings die krallenscharfe Beobachtungsgabe der Dresdner Dramatikerin Caren Jeß, damit in diesem Monolog das Animalische und das Menschliche, das (Tier-)Fabelhafte und das Individualistische zusammenfinden. Wir verfolgen also die Metamorphose einer Immobilienmaklerin, die eines Tages ... weiterlesen
Die Frage, was das Theater tun soll – und ob es überhaupt etwas ausrichten kann – angesichts der immensen Katastrophen unserer Tage, wird zurzeit ja heftig diskutiert. Wie soll das schließlich funktionieren: dramatische Sinnstiftung zu Klimadesaster, (Post-)Pandemie und Krieg? René Pollesch und Fabian Hinrichs geben darauf an ihrem gemeinsamen Abend tatsächlich eine Antwort – und zwar, indem sie die eigene Verzweiflung einfach gnadenlos klar und ehrlich offenlegen, ohne dabei auf Witz und ... weiterlesen
9+
Ein Mädchen und zwei Jungen, wütend und verzweifelt, erzählen ihre Geschichte. Sie sind verzweifelt, weil ihre Situation ihnen keinerlei lebenswerte Zukunft eröffnet, außer die ständige Sorge um Nahrung und Wasser. Wütend, weil sie sich, wie unerwünschter Ballast, vergessen fühlen, nicht wahrgenommen, wie ausgelöscht. Sie stehen am Strand und schauen sehnsuchtsvoll zum Horizont. Das Mädchen will weg von hier. Sie träumt von einem Ort tief unter dem Meer. Von einer leuchtenden Stadt, in der ... weiterlesen
Ein Kind ist gestorben. Ein Unfall. Die Eltern reagieren auf diesen Schicksalsschlag unerhört radikal: Sie ignorieren den Tod und betäuben den Phantomschmerz mit einem Phantomkind. Sie sprechen, spielen, leben via Chatfunktion mit ihrem einzigen Sohn. Und sie tun das nicht nur für sich. Sie ringen mit den Behörden darum, dass ihr Kind weiter zur Schule gehen darf. Youtuber und TV-Reporterinnen hypen die Story. Der Vater wirkt in dieser Illusionsblase nicht ganz gefestigt, aber die Mutter ... weiterlesen

StückeBlog

04.06.2023
Blog Team
Unsere Bloggerinnen ziehen ihr ganz persönliches Fazit der 48. Mülheimer Theatertage.
04.06.2023
Celine Kaddatz
Wie klingt ein Stück von Elfriede Jelinek auf Portugiesisch oder Marathi? Unsere Autorin hat sich in der Internationalen Werkstatt "Theater übersetzen" umgehört. ... weiterlesen
03.06.2023
Blog Team
Bevor heute Abend die offizielle Preisjury der „Stücke“ tagt und den Mülheimer Dramatikpreis 2023 vergibt, haben die Bloggerinnen ihre Stimme abgegeben. Hier sind die Favoriten. ... weiterlesen

Aktuelles

Caren Jeß gewinnt den Mülheimer Dramatikpreis 2023 und den Publikumspreis / Foto: Jewgeni Roppel
Für ihren Monolog „Die Katze Eleonore“ wird Caren Jeß mit dem Mülheimer Dramatikpreis 2023 ausgezeichnet. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert. Gezeigt wurde bei den 48.
Till Briegleb, Beate Heine, Frederik Tidén, Anita Vulesica und Christine Wahl entscheiden über den Mülheimer Dramatikpreis 2023 / Fotos: Björn Lux, Krafft Angerer, privat, Birgit Kaulfuß, privat
Über den mit 15.000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikpreis der 48. Mülheimer Theatertage entscheiden am 3.
Roland Schimmelpfennnig, Gewinner des Mülheimer KinderStückePreis 2023 / Foto: MTT
Für „Das Märchen von der kleinen Meerjungfrau“ wird Roland Schimmelpfennig mit dem KinderStückePreis 2023 ausgezeichnet.