Das Sprachenineinander
Als Pembo erfährt, dass ihr Vater mit der Familie aus der Türkei nach Deutschland ziehen will, bricht für sie eine Welt zusammen. Ausgerechnet in Hamburg hat ihr Vater einen Friseursalon geerbt – Hamburg, das ist kurz vor dem Nordpol! Überhaupt, wer will schon nach Deutschland, ins Land der Kartoffeln, wo alle reden, als steckten ihnen Frösche im Hals. Dabei ist Pembo ja selbst eine halbe Kartoffel, ihre Mutter ist Deutsche. Halb Kartoffel, halb Köfte – eine Köftoffel! Unter ihrer Bettdecke träumt Pembo schon lange von einem Leben, in dem ihr Vater ein berühmter Magier ist, der sie beide in einer Magiershow zum Fliegen bringt. Und jetzt? Friseur in Hamburg! Der einzige Vorteil an Deutschland ist, dass dort niemand ihren Namen versteht, den Pembo hasst wie nichts sonst. Sie hat ihn der kitschigen Liebesgeschichte ihrer Eltern zu verdanken.
In einem Patchwork aus kurzen Monologen und Dialog-Szenen erzählt Pembo ihre eigene Geschichte. Eine Geschichte von Verlusten und Vorurteilen und der Wut, die einen überkommt, wenn man aus der Heimat fortgerissen und in ein fremdes Leben geworfen wird. Und auch von Illusionen und Enttäuschungen, die sie und ihre Eltern immer wieder einholen. Denn als sich herausstellt, dass es sich beim geerbten Friseursalon um einen Hundesalon handelt, verfällt der Vater zuerst einmal in einen Schockzustand – er hat vor nichts im Leben mehr Angst als vor Hunden.
Am Ende ist es die Kraft der Gemeinschaft, die dabei hilft, Dinge zu überwinden, die man gerade noch für unüberwindbar gehalten hat. Am Ende wird sich der Traum vom gemeinsamen Fliegen doch erfüllen, allerdings auf ganz andere Weise. Die Selbstverständlichkeit, mit der Ayşe Bosse ihre Figuren durch zwei Sprachen gleiten lässt – mal türkisch, mal deutsch – und wie sie die beiden Sprachen miteinander verknüpft oder aneinander abprallen lässt, verleiht diesem Stück allein sprachmusikalisch eine Schwebe, die uns im schönsten Sinne Blick und Ohren auf Eigenes und Fremdes weitet.
Theresia Walser