Endstation Autobahn


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Es beginnt mit einem Schlagzeugsolo. Und was für einem. Gleich ab der ersten Spielminute gibt Schlagzeugerin Katharina Ernst den Rhythmus des Geschehens an und behält diese Machtposition bis zum Schluss. Während das Schlagzeugsolo immer lauter und intensiver wird, liegen vier Schauspieler wie leblose Puppen auf der Bühne verteilt und deuten so an, wohin sich das Spiel entwickeln wird.

Nach seinem großen Erfolg „am beispiel der butter“, das 2014 für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert war, kalauert sich der Dramatiker Ferdinand Schmalz in „dosenfleisch“ erfolgreich durch das rege Treiben einer Autobahn. Mit Wortakrobatik und Witz erschafft er einen skurrilen Theaterkrimi mit philosophischen Hintergedanken. Der Versicherungskaufmann „rolf“ (Tino Hillebrand), die burlesk anmutende Schauspielerin „jayne“ (Frida-Lovisa Hamann) und die vermeintliche Raststättenbesitzerin „beate“ (Dorothee Hartinger) beobachten und kommentieren von einer Raststätte aus die Geschehnisse auf der darunter gelegenen Straße. Dabei verbindet sie ihr groteskes Verlangen, Zeuge von Unfällen zu werden und diese danach genauestens zu analysieren. Das Wesen des Unfalls wird von ihnen auf philosophische Weise erörtert und in Verbindung zum eigenen Leben gebracht. Ein „fernfahrer“ (Daniel Jensch) ist selbst nur knapp einem Unfall entkommen und kommentiert seinerseits das Verhalten der Beobachter aus der Ferne.

Unfall-Fetischisten mit rhythmischem Sprachfluss

Neben den unzähligen Wortspielereien ist Schmalz’ durchgehend präziser Sprachrhythmus eine besondere Stärke des Textes. Regisseurin Carina Riedl legt besonderen Wert darauf, diesen Rhythmus hervorzuheben und inszeniert das Werk mit Schlagzeugbegleitung. Die Monologe der vier agierenden Figuren werden mit unterschiedlichen instrumentalen Rhythmen hinterlegt, die die Wortsalven wie musikalische Darbietungen erscheinen lassen. Dialoge dagegen werden immer wieder durch laute Schläge unterbrochen oder ergänzt. So werden Akzente gesetzt und starke Aussagen instrumental unterstützt.

Ins Bühnenbild integriert, thront das golden-glitzernde Instrument in der Mitte der Bühne. Auf der linken Bühnenhälfte sind ein rotblinkendes Open–Schild, wie man es von nächtlich geöffneten Lokalen, Motels oder Bars kennt, und eine metallenen Blechkiste zu sehen, die wie das Requisit einer burlesken Zaubershow in Las Vegas wirkt. Komplettiert wird die Bühnengestaltung auf der rechten Seite durch einen Tisch mit roter Kerze und einer Couch, sowie einer Empore mit Matratze, die dem „fernfahrer“ als Lager dient. Auf dieser Seite geht es weniger glamourös, dafür umso praktischer zu. Lediglich das „rote Grablicht“ auf dem Tisch hat einen offensichtlichen inhaltlichen Bezug zum Text. Das Gesamtbild der Bühne (Fatima Sonntag) wirkt, insbesondere durch die Interaktion der Figuren mit der Ausstattung, weitgehend künstlich. Es bleibt fraglich, ob der bereits durch sprachliche Künstlichkeit dominierte Text mit einer solchen Bühnengestaltung nicht überladen und zu abstrakt wird. 

Zu viel Glitzer und Blingbling

Die Künstlichkeit des Bühnenbilds wird durch die der Kostüme noch verstärkt. Hier sticht besonders eines hervor: die Schuhe. Während der „fernfahrer“ in sportlichen Sneakers auftritt, bewegt sich „rolf“ rollend über die Bühne. Dank integrierter Räder in seinen Schuhen kann er sich zu jedem Zeitpunkt selbst so fühlen, als wäre er auf der Straße unterwegs. „Jayne“ kommt auf gefährlich hohen, pinken Highheels daher, die ihren burlesken Auftritt optisch unterstreichen. Als „jayne“ sie ihm überlässt und sich fortan barfuß über die Bühne bewegt, werden diese Highheels für „rolf“ zum Zeichen seines Unfallfetischs.

„Am Ende sind wir alle Unfälle“ weissagt „jayne“, und verdeutlicht diese Aussage in der letzten Szene optisch. Mit schwarzlichttauglicher Kriegsbemalung bewegen sich die Unfall-Fetischisten von der Bühne in den Zuschauerraum und wirken dabei selbst wie die vom „fernfahrer“ als „dosenfleisch“ bezeichneten Unfallleichen.

Das Schlagzeug bleibt konstant rhythmusgebend und so ist es nur logisch, dass die Inszenierung mit einem lauten Schlag und dem Aufblenden eines Scheinwerfers endet. Die Bühnenversion von „dosenfleisch“ des Wiener Burgtheaters überzeugt durch den konstanten Rhythmus, der das Spiel unterstützt und zusammenhält. Szenographisch wurden jedoch Entscheidungen getroffen, die man, je nach Geschmack, übertrieben künstlich finden könnte.