6. Mai 2016 •
Sprache ist:
Etwas, das mit bestimmten Elementen und deren regelhafter Verwendung Bedeutungen und Inhalte vermitteln kann. Durch das Beherrschen von Sprache können Brücken gebaut und Türen geöffnet werden. Es kann Kommunikation zwischen Mitgliedern verschiedener Kulturkreise entstehen. Doch es gibt auch Grenzen. Für einige Situationen existiert einfach kein adäquates Beschreibungsvokabular. Egal in welcher Sprache.
So geht es dem Syrer Hamoudi in Yael Ronens Stück „The Situation“. Er kann seine Situation nicht in Worte fassen. Weder in seiner Muttersprache, noch mit den wenigen Brocken Deutsch, die er in einem Sprachkurs in Neukölln lernt. Ziemlich schnell wird klar, dass es den Mitgliedern des Deutschkurses sowieso nicht um die bloße Vermittlung von Inhalten geht. Unter ihnen entsteht eine andere Art von Sprache. Eine gemeinsame Sprache, die jeder versteht, obwohl immer wieder zwischen Hebräisch, Arabisch, Englisch und Deutsch gewechselt wird.
Manchmal geht es eben nicht um Inhalte, sondern um die Situation.
Sprache ist:
Ein komplexes Regelsystem und das zentrale menschliche Verständigungsmittel. Jeder, der dieses komplexe Regelsystem beherrscht, kann es zur Verständigung nutzen. Bis zu einem gewissen Grad versteht er, was gemeint ist, auch wenn mit dem Regelsystem gebrochen wird.
Das Durchbrechen des Regelsystems kann viel über einen Menschen aussagen. Dies macht sich Fritz Kater in „Buch“ zunutze. Hier scheint der Zuschauer durch eine bestimmte Anwendung von Sprache etwas über Herkunft und Alter der handelnden Personen zu erfahren.
Allerdings kann dieser Eindruck auch täuschen.
Sprache kann Verwirrung stiften
Sprache ist:
Ein Mittel zum Ausdrücken von Gedanken, Gefühlen und Vorstellungen. Dabei wird Sprache von jedem Menschen individuell an seine Bedürfnisse angepasst. Es ist sicher, dass die sprachlichen Äußerungen nicht immer wahrheitsgetreu und sinnvoll sind. Sprache kann ein Mittel der Wahrheit sein, Sprache kann aber auch genutzt werden, um Verwirrung zu stiften.
So auch in Sibylle Bergs „Und dann kam Mirna“. Wer ist es, der hier spricht? Sind es ein, zwei oder drei Personen? Sprache kann Figuren erklären oder sie „unrealistisch“ erscheinen lassen.
Aber spiegelt verwirrte Sprache, spiegeln abgerissene Sätze nicht auch die verwirrten, abgerissenen Gedanken, Gefühle und Vorstellungen eines verwirrten Menschen wider?
Sprache ist:
Ein System, in dem jedem einzelnen Zeichen eine Bedeutung zugeordnet ist. Die Bedeutung der Zeichen ist dabei arbiträr. Nur so ist zu erklären, wieso es überhaupt verschiedene Sprachen gibt.
Wolfram Höll nutzt dieses Prinzip der Arbitrarität in „Drei sind wir“ aus, indem er es auf den Sprachakt bezieht. Es geht nicht darum, genau festzulegen, welcher Akteur welche Textpassage spricht, sondern um die teils explizite, teils suggestive Vermittlung des Inhaltes. Die Zuteilung kann jedes Mal anders ausfallen. Höll experimentiert mit lyrischen Wortfolgen und sprachmusikalischen Variationen, ohne dass die Abschnitte schlüssig bestimmten Personen zugeordnet werden.
Verschluckte Verben
Sprache ist:
Eine bestimmte Art des Sprechens bzw. des sprachlichen Ausdrucks. Jeder Mensch entwickelt eine eigene Art des Sprechens. Diese kann sich so weit ausbilden, dass sie zum Erkennungszeichen des jeweiligen Menschen wird.
Felicia Zellers Sprache in „Zweite allgemeine Verunsicherung“ tendiert dazu, Verben zu verschlucken und viele Schleifen zu ziehen. Diese besondere Modellierung von Sprache ist nicht nur ihr persönlicher Stil, sondern ein Mittel der Inszenierung für die Verunsicherung ihrer Protagonisten.
Sprache ist:
Eine natürliche Fähigkeit des Menschen. Man kann ziemlich genau beeinflussen und regulieren, was mit dem gesprochenen Wort vermittelt werden soll. Sprache übermittelt Inhalte, kann aber auch als transmediales Medium agieren.
Ferdinand Schmalz benutzt Sprache, um seinem Stück „dosenfleisch“ Rhythmus und Dynamik zu verleihen. Die Auswahl einzelner Wörter und die spezifische Zusammensetzung dieser Wörter zu Sätzen geben dem Text einen Fluss, der den Inhalt des gesprochenen Wortes rhythmisiert.
Sprache ist:
Ein klassischer Bedeutungsträger in der abendländischen Theatertradition. Auf der Bühne konnte und kann Sprache in verschiedenen Formen angewandt werden.
So geschehen in „Bilder von uns“ von Thomas Melle, der sowohl indirekte, also auch direkte Sprache, Dialoge und innere Monologe nutzt.
Sprache ist vielseitig und unentbehrlich. Sowohl im Theater als auch im Leben.