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Was für ein Witz!


Diskurs

Wie entsteht ein Witz? Diese Frage hatte ich mir schon häufiger gestellt. Zeit für ein Gespräch mit dem Autor und Regisseur Marc Becker. Im Theatersaal läuft sein Stück „Der Hase in der Vase“. Noch bevor die Inszenierung endet, ist das laute Aufschreien und Lachen der zuschauenden Kinder zu hören. Der Witz in Marc Beckers surrealem Stück scheint zu funktionieren. 

Kurz darauf sitzt mir ein Gesicht gegenüber, dass auch von meinem Vater sein könnte: überraschend normal und angenehm authentisch. Ich bitte ihn kurz, sich vorzustellen. „Ok, aber kurz zu beschreiben ist schwierig…“, überlegt er. „Ich arbeite seit dreißig Jahren… oder jetzt schon über dreißig Jahren am Theater, schreibe seit über fünfundzwanzig Jahren Theaterstücke, seit acht, neun Jahren auch Kinderstücke und meistens inszeniere ich auch die von mir geschriebenen Stücke in der Uraufführung selbst. Erst danach gebe ich sie an einen Verlag weiter.“ Bei derart vielen Jahren im Theatergeschäft wird mir schummrig: Dieser Mensch hat viel Erfahrung! Funktioniert sein Humor im Theater deshalb so gut? Oder liegt es doch daran, dass er ein ganz besonderes „Witzrezept“ hat?

Die Frage nach letzterem verneint er, so etwas wie das Rezept für einen Witz gebe es für ihn bestimmt nicht. Aber: „Ein ganz wichtiger Faktor ist natürlich Timing. Wenn man einen Witz erzählt, muss im entscheidenden Moment die Pointe kommen. Da muss die passende Geschwindigkeit und die richtige Lautstärke getroffen werden. Das sind bestimmte Sachen, die zum Schreiben dazugehören.“ Danach fasst Marc Becker zusammen: „Humor ist ein Handwerk.“

Dieser Gedanke kommt mir zunächst abstrus vor, da es immer so locker und leicht wirkt, wenn ein Witz das Publikum zum Lachen bringt. Das Wort „Handwerk“ hört sich allerdings gar nicht nach locker und leicht an, sondern nach Schweiß und harter Arbeit. Marc Becker erklärt: „Das ist vergleichbar mit der Situation, wenn ein witziger Bandname gesucht wird. Da ist es sicher nicht der erste Name, der passt. Man fängt an zu brainstormen und schreibt 50 Bandnamen auf – davon sind vielleicht zwei witzig. Selbst von denen ist einer nur halb witzig. Bis man einen witzigen Bandnamen hat, ist es harte Arbeit.“

Surrealistisch und abgedreht

Es gehe aber auch ohne Brainstorming. Das ist dann die sogenannte „Situationskomik“. Marc Becker sieht sie oft bei seinen Kindern: „Einmal habe ich nach einem Streit mit meiner Tochter zu ihr gesagt, sie solle rausgehen und die Tür zu machen. Da ist sie rausgegangen, hat die Tür zugemacht, kam zurück, öffnete die Tür einen kleinen Spalt breit und patzte mich an: So Papa, den Rest musst du selber machen!“ Wir lachen. Beglückt sieht Marc Becker in die Ferne, vermutlich in seine Vergangenheit. „Sie wollte mich natürlich provozieren und weiter ärgern“, führt er aus, „aber das war totkomisch. Manchmal entstehen Witze aus Situationen, aus Absurditäten, die man in der Form nicht erwartet hat.“ 

Nun hatte ich viel mit Marc Becker allgemein über Witze geredet, aber um seine eigenen einen Bogen gemacht. Dabei hat er doch ein eigenes urkomisches Kinderstück geschrieben. Also: Wie entstand der Witz in „Der Hase in der Vase“? 

Marc Becker interessiert vor allem das Surrealistische und Abgedrehte. Inspiriert von der Ballettaufführung „Relâche“ hätten er und Matthias Grön, der Leiter des Jungen Staatstheaters in Oldenburg, sich eine Grundstruktur für das Theaterstück überlegt. „Wie wäre es, eine Geschichte zu konzipieren, die erstmal gar nicht stattfindet und die Fantasie der Kinder anregt?“ Viele Elemente des Balletts sind offensichtlich mit ins Theaterstück „Der Hase in der Vase“ eingeflossen. „In dem Ballett ging es darum, dass am Anfang ein Feuerwehrmann über die Bühne rennt und einen Eimer Wasser bei sich hat, den er immer wieder verschiebt. Die Musik spielt, hört wieder auf zu spielen, und wenn die Musik nicht spielt, fängt die Tänzerin an zu tanzen“, so Marc Becker. Das im Eingang des Gesprächs ganz unschuldig verwendete Wort „brainstormen“ erscheint mir in diesem Fall wie Klauen. Ist das noch künstlerische Freiheit? Ich bezweifele es. Vielleicht geht es aber auch weniger um die Idee als solche als vielmehr um deren Umsetzung. Oder wie Marc Becker es sagt: „Ganz oft ist es nicht das Was, sondern das Wie. Wenn man die Texte liest, von Komödien zum Beispiel, und die wirklich als Skript vor sich hat, dann sind sie oft gar nicht witzig. Wenn die Komiker den Text sprechen, ist fast jeder Satz witzig.“

Und wenn ein Witz nicht funktioniert?

Marc Becker hat beim Schreiben aber nicht ständig einen Darstellenden bei sich, der den Witz „probesprechen“ könnte. „Hast du Angst, dass ein Witz mal nicht funktioniert?“, frage ich ihn deshalb. „Ne“, antwortet er salopp, „,dann muss man halt den nächsten parat haben. Wenn man zu viele versemmelt, dann ist das ein Problem, aber wenn man es nicht ausprobiert, dann kann man es ja nicht wissen. Man kann daraus nur lernen.“ Dennoch rät er bei einer Komödie zu einem Testpublikum. Und wo hört ein Witz auf? „Es geht in erster Linie darum, dass ein Grundrespekt vorhanden ist, dass man ganz klar weiß, wie die Dinge zu verstehen sind“, meint Becker. „Das ist wichtig, weil es immer wieder ein schmaler Grat ist, zwischen Witz und Schmerz, zum Beispiel bei Witzen über Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung. Darf man über diese scherzen oder nicht? Dazu gibt es viele unterschiedliche Meinungen.“

Witze sind vielseitig und „ein Handwerk“, bleibt mir aus dem Gespräch mit Marc Becker in Erinnerung. Die Schwierigkeit, mit Witzen umzugehen und dadurch Menschen zum Lachen bringen zu können, macht das Erleben der Theatervorstellungen oder auch nur die Witze unter Freunden nun zu ganz besonderen Momenten für mich.