3. Juni 2017 •
Der kleine Saal in Kaffeehaus-Optik im Theater an der Ruhr ist proppenvoll. Alle Tischchen und dunkelbraunen Holzstühle sind bis auf den letzten Platz besetzt. Auch die kleine Bühne soll an diesem Abend voll werden, nicht einmal die Namensschilder passen nebeneinander. Als die fünf jungen Schauspieler unter Applaus einziehen, knubbelt es sich auf der kleinen Bühne. Doch zusammengerückt wie sie dort sitzen, verstärkt sich der Eindruck: Hier sitzt ein Team, das sich durch die Bank eingehend mit dem Thema Europa beschäftigt hat – und das gemeinsam.
Work-in-prozess-Proben
Durch die Fragen des Moderators Michael Laages, der zwischendurch immer wieder in anekdotische Geschichtsstunden ausschweift, kommt vor allem der Autor des Stücks, Konstantin Küspert, zu Wort. Der 1982 in Regensburg Geborene antwortet gut informiert und verortet sein eigenes Schreiben in einer politischen Haltung. So sei die Ausgangsfrage für dieses Stück gewesen, was Europa eigentlich ist. Küspert offenbart, was ihn umtreibt, nämlich die Frage nach einer europäischen Verantwortung für die Geflüchteten, die nach Europa gekommen sind: „Der Drang besser zu leben ist so groß, dass sie dafür ihr Leben riskieren. Das dürfte uns eigentlich nicht schlafen lassen.“
Seine Aufgabe als Autor versteht Küspert dann so: er recherchiere, schaffe Material ran und stelle den Text als Grundlage für eine work-in-prozess-Situation auf den Proben zu Verfügung. „Solange es nur Buchstaben sind, ist das Theaterstück noch nicht fertig“, erklärt der Autor. „Das Kunstwerk ist eine einzelne Aufführung.“ Das Ensemble habe eine permanente Aktualisierung eingefordert, ergänzt Regisseurin Cilli Drexel. Denn während der Proben habe sich die politische Weltlage, vor allem durch den Brexit, verändert.
Demut vor der Thematik
Auch die Künstler, die dann – laut Küspert – ihren Hals hinhalten und mit ihrem eigenen künstlerischen Tun dieses Kunstwerk vollenden, kommen zu Wort. Schauspielerin Ronja Losert meint, dass Spielen und Schreiben zwar nicht ausreiche, aber trotzdem wichtig sei: „Wir reden über Europa und letztlich machen wir auch nicht mehr, als darüber zu reden, aber vielleicht kommt ja etwas davon an und setzt sich in den Kopf eines jeden Zuschauers.“ Aus dem ganzen Team ist diese Demut gegenüber dem Stoff zu spüren. Für Cilli Drexel ist Bescheidenheit angebracht. Vor Geschichte, die tatsächlich passiert ist, habe sie einen großen Respekt. „Dann versuche ich mich über eine Distanz an dieses Material heranzuwagen.“ Aus dieser Distanz, aus den bescheidenen Mitteln und der bescheidenen Rahmung sei das Komödiantische der Inszenierung entstanden. Obwohl die Bühnen- und Kostümbildnerin Christina Mrosek selbst nicht zu Wort kommt, wird noch genau über diese „bescheidenen Mittel“ gesprochen: Die Schauspielerin Marie Nest erzählt von Pappspielen und Bastelexperimenten, mit denen sie sich während der Proben dem Material angenähert und gemeinsam Ideen entwickelt hätten.
Schweigende Übereinstimmung?
Als die Runde für das Publikum geöffnet wird, bleiben die Nachfragen zunächst zaghaft. Also springt Laages erneut mit persönlichen Beschreibungen ein. Vereinzelt tröpfeln manche Besucher aus dem Raum, so richtig möchte keine lebendige Diskussion entstehen. Erst nach und nach melden sich Gäste mit Nachfragen zu den Monologen, aber vor allem mit politischen Meinungen zu Wort. Eine Wissenschaftlerin lobt das Erasmus-Programm und die Reisefreiheit. Ein Student gibt zu bedenken, ob es nicht traurig sei, dass Europa vor allem durch wirtschaftliche Abkommen zusammengehalten werde. Es sind die politischen Positionsbestimmungen, die auch im Austausch mit dem Publikum maßgebend bleiben.