On Tour mit Ferdinand Schmalz


Kritik

Der Mann mit melonenartigem Hut auf dem Kopf, schwarzem Blazer und Oberlippenbart erinnert von Weitem irgendwie an Charlie Chaplin. Doch es ist Ferdinand Schmalz, der in bester Laune vor dem Ringlokschuppen in Mülheim auf uns wartet. „Krieg ich jetzt eine Tour durch die Umgebung?“, fragt er erfreut und wir machen uns auf in Richtung Auto. Mit zwei Männern und drei Frauen an Bord geht es nach Duisburg zu einem verlassenen Stadtbad. Welcher Ort würde sich besser eignen, um Ferdinand Schmalz über sein neues Stück „der thermale widerstand“ auszufragen!?

Wie suchst du die Orte aus, an denen deine Stücke spielen?

Ferdinand Schmalz: Na, in dem Fall war‘s so, dass das Stück in der Schweiz uraufgeführt wurde. Wir haben dann nach einem Ort gesucht, der mit der Schweiz im Speziellen zu tun hat. Und da lag der Aspekt der Schweiz als Kururlaubsland einfach nahe. Durch das spezielle Setting habe ich dann einerseits über die Schweiz, aber auch über den Zustand in Mitteleuropa schreiben können.

Gehst du selbst an die ausgewählten Orte und beobachtest die Menschen dort?

Schmalz: Na klar, „research is everything“, sag‘ ich da immer. Im Schreibprozess war auf jeden Fall der ein oder andere Kuraufenthalt eingeplant und mit dem Produktionsteam sind wir einmal nach Bad Zurzach gefahren.

Etwas so Entspanntes wie einen Kuraufenthalt können wir Ferdinand Schmalz heute nicht bieten, dafür gibt es im Ruhrgebiet doch so einiges anderes zu entdecken. Er habe Zeit mitgebracht und interessiere sich dafür, mehr von der Gegend zu sehen. Das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und machen uns auf den Weg in Richtung Landschaftspark Duisburg Nord. Sowieso gefalle ihm das Festival in genau dieser Umgebung. Besonders das Theater an der Ruhr, von dem aus man während eines anstrengenden Tages einfach ins Grüne laufen kann.

Schmalz: Über die langjährige Arbeit des Festivals hat sich in Mülheim ein super Publikum etabliert. Es gibt dort so viele Menschen, die für neue Dramatik brennen und auf neue Texte gespannt sind. Das freut mich sehr!

Und gespannt sind diese Menschen auch auf Ferdinand Schmalz, der immerhin schon zum dritten Mal zu den „Stücken“ eingeladen wurde. Seine Texte zeichnen sich durch die rhythmisierte Sprache aus.

Hast du eigentlich einen musikalischen Background?

Schmalz: Nein, ich spiel‘ Gitarre so für den Hausgebrauch, aber sonst eigentlich nicht. Trotzdem muss ein Stück immer gut klingen für mich. Ich klopf‘ den Rhythmus und die Sprache ab, damit sich ein bestimmter Flow herstellt. Ein Stück ist bei mir erst fertig, wenn es durch und durch gut klingt, also einen wirklich guten Sound hat.

Die Rhythmen sind meist auch in den Inszenierungen sehr präsent oder? Ich erinnere mich da an die Schlagzeugerin Katharina, die im letzten Jahr bei „dosenfleisch“ mit auf der Bühne war ...

Schmalz: Ich finde es sehr interessant, wenn die Umsetzung des Stücks von der Musikalität der Sprache und nicht von der Psychologie des Textes ausgeht. Das ganze Team kann dann in den Proben anders arbeiten. Bei „dosenfleisch“ war das fast wie eine Bandprobe, es wurde immer wieder nach dem richtigen Klang gesucht.

Sogar die Namen deiner Figuren haben etwas sehr Klingendes, irgendwie Sprechendes an sich...

Schmalz: Die Figuren sind bei mir Sprachpuppen. Um ihre Künstlichkeit zu unterstreichen, versuche ich ihnen entsprechende Namen zu geben. Der Klang der Namen bedeutet auch etwas für die schauspielerische Umsetzung der Figuren. Durch die schrägen, absurden Namen haben die Spieler gleich eine gewisse Vorstellung davon, wie sie am besten an die Figurengestaltung ‘rangehen können.

Im Landschaftspark angekommen spazieren wir gemütlich durch die Industriebrache. Vom Hochofen aus genießen wir die schöne Aussicht und plaudern über Kroatienurlaube und Schmalz' Zeit als Regieassistent in Düsseldorf. Irgendwann wird es dann doch auch noch politisch.

Wie siehst du die aktuelle politische Lage in Europa?

Schmalz: Ich bin der Ansicht, dass wir auf dem Kontinent besser dran sind, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Europa ist so viele Jahrzehnte im Krieg untergegangenen und die Einigkeit, die wir geschaffen haben, ist ein hohes Gut, das man nicht achtlos wegwerfen sollte. Ein Europa des gemeinsamen Wegs ist besser als die nationale Vereinzelung und die damit verbundene Konkurrenz.

Da kann ich nur zustimmen und hoffen, dass sich diese Ansicht weiterverbreitet. Jetzt klettern wir aber erstmal wieder zurück auf die Erde und machen uns auf den Weg zurück in Richtung Mülheim.