14. Mai 2017 •
Bach und Mondtag haben eine gemeinsame Theatergeschichte. Das merkt man. Während Ensemble und Dramaturgin Eva-Maria Bertschy im Publikumsgespräch stets nach vorne schauen, werfen sich Autorin und Regisseur oft Blicke zu und ergänzen gegenseitig ihre Antworten. Das wirkt vertraut, vielleicht sogar ein bisschen einstudiert. „Die Vernichtung“ sehen sie als eine gemeinsame „Stückentwicklung“: Mondtag habe Bach dazu angestiftet, das Stück zu schreiben. Dieses sei zwar allein Bachs Feder entflossen, greife aber stets auf den regen inhaltlichen Austausch der beiden Künstler und des Ensembles zurück. Immer wieder beruft sich Bach auf die gemeinsamen konzeptionellen Diskussionen, die das Team zu Beginn des Projekts im Rahmen einer zweiwöchigen Residenz geführt habe. Für Mondtag gehören Text und Inszenierung so selbstverständlich zusammen, dass sie „gar nicht anders funktionieren könnten“. (Was – genau genommen – eine Neuinszenierung des Textes durch andere Regisseure ausschlösse. Und ist das nicht ein Problem bei einem Theaterfestival, das Stücktexte auszeichnet?)
Nicht immer einer Meinung
Nicht, dass Bach und Mondtag immer einer Meinung wären. Im Jahr 2013 habe es, so Bach, einen „wahnsinnigen Streit“ gegeben. Danach habe sich die Autorin erstmal für Jura eingeschrieben und sei erst kürzlich, für „Die Vernichtung“, ans Theater zurückgekehrt. Gleich mehrmals versichert sie, wie froh sie darüber sei. Ihr Jurastudium setze sie fort, aber eine weitere Kooperation mit Mondtag sei in Arbeit. Vermutlich ist diese Zusammenarbeit nicht immer leicht, handelt es sich doch um einen Regisseur, der lieber sein eigenes Bühnenbild und Kostüm macht, um sich nicht mit „anderen Fantasien“ auseinandersetzen zu müssen. Noch scheint es aber gut zu laufen zwischen den beiden. Mondtag zumindest verkündet, dass er nur mit der Textvorlage einer vertrauten Person wie Bach arbeiten könne.
Selbstkritisch oder selbstbewusst?
Nach und nach werden im Gespräch weitere Meinungsunterschiede deutlich: „Es ist wirklich erstaunlich, dass man das nicht merkt“, antwortet Bach auf Moderator Michael Laages‘ Frage, ob es in ihrem Stück überhaupt feste Rollen gäbe. Sie und Mondtag hätten lange an den unterschiedlichen Figurenprofilen gearbeitet. Der Regisseur hingegen ergänzt prompt, dass sich die Figuren, seiner künstlerischen Vision gemäß, gewollt vermischten. Denn hinter allen Figuren verberge sich der gleiche Narzissmus und mithin eine ästhetische Einheit. Bach äußert sich hierzu nicht noch einmal – eine für das Gespräch typische Unentschiedenheit: Bach gibt sich selbstkritisch, Mondtag macht selbstbewusste und klare Ansagen. Sie wünscht sich, sie hätte konkreter gearbeitet, politische Gegebenheiten präziser im Text genannt. Er hingegen sieht in seinem Bühnenbild eine vollständige symbolische Repräsentation der westlichen Kultur und betont auf Nachfrage eines Zuschauers, seine künstlerischen Entscheidungen seien nicht als ironische Statements zu verstehen. Wenn man ihn, beispielsweise in der Musikwahl, so rezipiere, liege das gewiss nicht an ihm. Er sei kein Parodist. Dabei hatte Bach gerade noch erklärt, ihre Figuren seien überspitzt gezeichnet. Dramaturgin Bertschy vermittelt: Das Spannungsfeld zwischen Milieustudie und Übertreibung mache die Inszenierung interessant.
Nach dem Eröffnungsstück der Mülheimer Theatertage sieht es gut aus für das Berner Team: Eine Zuschauerin bedankt sich für das eindrucksvolle „Generationenporträt“ und den berührenden Abend. Das polarisierende Potenzial des Stücks, das auf dem Podium immer wieder hervorgehoben wird, spiegelt sich in den unkritischen Fragen des Publikums nicht wider.