Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder der Jury – der einladenden wie der Preis vergebenden,
sehr geehrte Honoratioren der Stadt Mülheim an der Ruhr,
lieber Ewald Palmetshofer – lieber Ewald!
Ich kann nicht leugnen, dass mich die Vergabe des Mülheimer Dramatikerpreises der Stücke 2015 an Ewald Palmetshofer maßlos gefreut hat.
Ein Grund war allerdings auch, dass die Nacht der Juryentscheidung mit dem Beginn meines Geburtstags zusammenfiel, und, das können Sie nun nicht wissen, ich ein Kind dieser Stadt bin. Dass Ewald Palmetshofers Preisgewinn auf meinem Geburtstag fiel und ich nun die Ehre habe, auf den von mir bewunderten Autor eine Laudatio in meiner Geburtsstadt zu halten, ist eine herrliche Koinzidenz, es ist aber auch eine der wenigen privaten Überschneidungen unserer nun fast 10-jährigen Zusammenarbeit.
Ewald Palmetshofer, 1978 in Linz geboren, wächst im Mühlviertel, genauer in Mönchdorf, in Oberösterreich auf. Nach Schule und Zivildienst geht er nach Wien um zunächst Theaterwissenschaft und Germanistik, dann Theologie, Philosophie und Psychologie auf Lehramt zu studieren.
Ich habe mich länger gefragt, ob ich überhaupt diese wenigen, kurzen biographischen Daten dieser Laudatio beifügen sollte, weil – das kennen wir alle von uns, wann beginnt ein eigenes, ein künstlerisches Leben? Und außer der charmanten Kadenz seines oberösterreichisch gefärbten Zungenschlags, gibt es für mich wenig an Ewald Palmetshofer, das an seine frühe Heimat erinnert.
Aber gerade der Dialekt, die sanft gefärbte Aussprache, ist in Palmetshofers Fall nicht nur Markenzeichen, sondern ein Herkunftssiegel, dem in Österreich zu entgehen, schwer fällt. Es ist ein tatsächlich österreichisches Phänomen: sich Heimat samt Dialekt vom Leib zu schreiben, um in einer eigenen Sprache Autonomie zu suchen. Das Dichten ist daher auch als eine Loslösung von der lokalen Gebundenheit, als Emanzipation zu kennzeichnen. Darum ist das Ringen um Sprache und das Gestalten der Sprache in Österreich oft so radikal.
Persönlich kennen gelernt haben wir uns bei den Werkstatttagen an der Burg 2006 und ich darf erwähnen, dass mich sein Auftreten und Arbeiten von Anbeginn an beeindruckt haben. Seine kritische, genaue, zielgerichtete aber stets umsichtige Herangehensweise an alle auftretenden wie selbstgestellten Aufgaben eines angehenden Dramatikers, hat mich für den Künstler Palmetshofer schnell, wenn nicht umgehend eingenommen. Ewald – wir waren im Rahmen der Werkstatttage bald beim Arbeits-Du – Ewald ist ein grundvornehmer Mensch und ein ebenso sensibler wie radikaler Denker.
Ewald ist, und auch das soll hier, heute und an diesem Ort, noch einmal nachdrücklich bemerkt werden, ein Autor der früh und höchst erfolgreich unterschiedliche Maßnahmen und Programme der Autorenförderung durchlaufen hat, vom Retzhofer Dramatikerpreis über die Werkstatttage am Burgtheater, den Wiener Wortstätten bis hin zum Dramatikerpreis der Deutschen Industrie... um nur einige zu nennen.
Es ist also, und es beweist sich durch diese Vergabe einmal mehr, keineswegs unwichtig oder überflüssig junge Menschen in ihrem Wunsch für die Bühne zu schreiben zu fördern und zu unterstützen.
Aber nicht jede Förderung erfährt so eine Bestätigung wie durch Ewald Palmetshofer. Und vielleicht ist die Enttäuschung, dass Ausnahmetalente auch in Zeiten breit aufgestellter Förderungen eben doch Ausnahmen bleiben, Grund für Zweifel an der Autor:innenförderung – ich meine aber sehr entschieden: Nicht aufhören, weiter machen, dran bleiben – eine Schwalbe macht zwar keinen Sommer, aber nur im Sommer hat man Gelegenheit Schwalben zu entdecken!
Ewald hat sich aber nicht nur durch sein Schreiben dem Theater angenähert oder im Wortsinn: verschrieben. Er hat auch die Nähe zum Arbeitsprozess, zu den Proben, gesucht, um nicht nur zuzuschauen oder seinen Zugriff auf das Theater zu verteidigen, sondern: um zu lernen! Er war Hausautor am Schauspielhaus Wien, am Nationaltheater Mannheim, er arbeitete als Dramaturg und wird nun in dieser Funktion auch an das Theater Basel wechseln. Daneben ist er Dozent am Wiener Institut für Schreibkunst der Universität für Angewandte Kunst.
Den Drang oder Wunsch nicht nur zu schreiben, sondern eben Theater zu schreiben, heißt mit seinem Schreiben kein endgültiges Produkt, sondern ein Zwischen-End-Produkt aus den eigenen in andere, fremde Hände zu legen und zusehen zu müssen wie Schauspielerinnen und Schauspieler den Sätzen Körper geben und Gedanken, Klang und Rhythmus gestalten, also: Leben verleihen. Das Dramatische Schreiben, so Palmetshofer, sei „Schreiben, das seine Gegenwart in einer zukünftigen Rezeption, als Arbeit auf der Bühne findet“. Dieser Prozess kann für DramatikerInnen immer wieder eigenartig und schwierig, mitunter schmerzhaft sein. Ewald suchte und sucht diesen Prozess, die Auseinandersetzung, beobachtet und lernt von den Spielerinnen und Spielern, vertraut, reklamiert, vorsichtig und genau, erkennt, zweifelt, aber akzeptiert und liebt die SpielerInnen für ihr kritisches und bewusstes Umsetzen, ihr Verlebendigen.
„Theatrale Text sind Texte, die sich dem Gesprochen-werden ausliefern und ihre Bewahrheitung erst im körperlichen Sprechen von SchauspielerInnen auf der Bühne finden“, nannte er diesen Prozess einmal.
„Im Kern brauche ein Theatertext irgendeine Form von Bewusstsein darunter, dass er die Arbeit der anderen benötigt um seine Seinsweise zu finden“.
Palmetshofer hatte das Glück für sein Schreiben schnell einen geeigneten Ort zu finden: das Schauspielhaus Wien, das historisch gesehen immer wieder die Wiege junger, neuer Dramatikerinnen und Dramatiker war, und genaugenommen somit als die beste Form der Autor:innenförderung zu gelten hat, denn es spielte sein Stücke. Sein Stück „hamlet ist tot. keine schwerkraft“, inszeniert von Felicitas Brucker, eröffnete am Wiener Schauspielhaus eine neue Ära und machte den jungen Autor umgehend bekannt.
Ich erinnere mich noch sehr genau, wie Ewald schüchtern, fast zart, alleine auf der Bühne stand und den Applaus des Publikums, wie den des hinter ihm stehenden Ensembles entgegennahm. Das Bild hatte etwas Symbolisches, das Publikum war begeistert vom neuen Ton, der hier angeschlagen wurde, und die Spielerinnen und Spieler standen hinter ihm. Immer.
Ewald Palmetshofer sollte fünf Uraufführungen und zwei Österreichische Erstaufführung an diesem, seinem Schauspielhaus erleben und eine Serie kuratieren – nämlich: „Die X Gebote“– sowie eine Ur-Lesung eines seiner frühen Stücke begleiten und abschließend, vor wenigen Wochen noch einmal die Uraufführung seiner Neudichtung respektive Überschreibung "Edward II. Die Liebe bin ich" nach Christopher Marlowe. Vier Jahre war das Schauspielhaus so sein Mutterhaus, bevor er dann zurück an die Burg, genauer das Akademietheater, kehrte.
Zweimal war Ewald mit den Aufführungen des Schauspielhaus’ in Mülheim zu Gast („hamlet ist tot. keine schwerkraft“ und „faust hat hunger und verschuckt sich an einer grete“ beide inszeniert von Felicitas Brucker) bevor er mit der zweiten Burgtheateruraufführung, zum dritten Mal in Mülheim, für „die unverheiratete“, inszeniert von Robert Borgmann, nun den begehrten Preis erhielt.
Das Schauspielhaus, sein Ensemble und sein Team, wuchsen mit ihm und an ihm und er mit den dortigen Künstlerinnen und Künstlern. Aber die Leistungen der Burg, besonders als Ort für beginnende Autorinnen und Autoren ist auch nicht zu verschweigen: Hier brach er einst auf und nun kommt er mit dem Ensemble des Burgtheaters zurück, allen voran sei hier noch einmal die Doyenne des Burgtheaters, die von mir hochverehrte KS Elisabeth Orth genannt, die die Aufführung zum glänzen bringt.
Keine zehn Jahre dauerte das alles...
12 Stücke hat der Dramatiker Palmetshofer verfasst, sechs davon liegen inzwischen in einem Sammelband vor, als ob sein Verlag die heutige Preisvergabe vorausgesehen hätte.
Großartig. Manche Geschichten klingen so plausibel, dass sie wahr werden müssen.
Zu dem eben erwähnten Sammelband durfte ich ein Nachwort beisteuern. Einige Punkte darin beschreiben die charakteristischen künstlerischen Eigenschaften oder Eigenheiten von Ewald Palmetshofer: Allen seinen Stücken, selbst schon den allerersten ist der besondere Groove, ein Sound eigen: Palmetshofers Jargon, sein Idiom reibt sich nicht nur an dem heimatlichen Dialekt, sondern schöpft aus dem Klang seines österreichischen Deutsch. Sprache oder besser Sprachfindung und -gestaltung sind Ausgangs- und Mittelpunkt seiner dramatischen Entwürfe. Sprache bildet für ihn Kern und Sinn seiner Dramatik. Ewald Palmetshofer sampelt und komponiert Sprache, darum sind seine Worte und Ausdrücke, sein Sprachduktus oder -rhythmus so eigen und ergeben eine individuelle Tonspur.
Ewald Palmetshofers eigener Tonfall erlebt mit den Jahren seine Pointierung: Die Mundart der Heimat verdichtet sich zur Kunstsprache des Dramatikers Palmetshofer; sein im Mai uraufgeführtes, jüngstes Sprach-Kunstwerk, Palmetshofers durchformte, rhythmisierte, am Marloweschem Original geschulte Nachdichtung „Edward II. Die Liebe bin ich“ hat das noch einmal deutlich gezeigt – es war vermutlich seine letzte Uraufführung am Schauspielhaus Wien und ist demnächst am Theater Basel zu erleben.
Auch seine Stückdramaturgie verwandelt sich über die Jahre und ist dabei stets rückhaltlos modern. Denn so komplex die Sprache, so komplex wie kompliziert ist auch die Szene, die Situation.
(In „faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete“ z. B. stellen die Nachbarn des titelgebenden Paars die vorangegangenen Ereignisse um eben faust und grete nach, und spielen für ein imaginäres TV-Team die Geschichte durch, wobei sie in die Rollen der stets abwesenden Protagonisten schlüpfen. Jede des Damen-Ensembles ist mal Margarete, keiner der Herren mag so richtig Heinrich sein. Aber für welches Publikum treiben sie diesen grausigen Schabernack – an dessen Ende aus bösartigem Spiel längst tödlicher Ernst geworden war? Wer sind diese Darsteller und für welches Publikum spielen oder behaupten sie welche Realität oder lapidarer ausgedrückt: für wen spielen sie diesen seltsamen Krimi nach und zu welchem Zweck?) Immer wieder sind die Palmetshoferschen Handlungsverläufe komplizierte Schnitzel/Krimijagden oder Indizienreportagen um ein menschliches Versagen, eine menschliche Verfehlung. Was zeichnet den Menschen als Menschen aus?, diese Frage treibt Palmetshofer immer wieder an. Und Heinrich, alias faust in oben beschriebener Faust-Paraphrase resümiert: „Im Menschen drinnen ist kein Mensch!“
(Palmetshofers Stücke lösen die Übereinkunft zwischen Bühne und Zuschauerraum, zwischen Betrachtern und Schauspielern auf. Die Grenzen – nicht nur zwischen Rolle und Spielerin oder Spieler – sind fließend, auch die Situation, wer schaut wem und zu welchem Zweck zu, ist verwischt.) Die Schauspieler spielen kurze oder kürzeste realistische Szenen, um im nächsten Moment sich und die Situation zu kommentieren. Epische Passagen wechseln rasch mit szenischen oder chorischen Dialogfetzen. Mit seinen Stücken stellt Palmetshofer Erzählverläufe in Frage, oder: auf die Probe.
Palmetshofers Stücke klingen und surren, sie galoppieren und drehen, wenden sich, und selten wurde und wird unsere Gegenwart und Gesellschaft dabei so brutal als unerhörte soziale wie mitmenschliche Kakophonie vorgeführt. Schon das Schriftbild seiner Stücke ist genaugenommen als Partitur oder Notation zu bezeichnen.
Der Preisträger Palmetshofer ist, meines Erachtens, auch als ein Auszeichnung (oder vielleicht sogar: als Plädoyer) für das Literaturtheater zu verstehen: Palmetshofer schreibt keine Doku-Dramen und so sehr er sich in die Probenarbeit einbringt, so wenig sind seine Stücke Ergebnisse eines kollektiven Schreibvorgangs. Hier gibt es einen Autor, ich will ihn gerne Dichter nennen, der im Verein mit anderen Künstlern arbeitet, aber jeder in seinem Terrain. Darum schreibt Palmetshofer wahre, aber keine realen Geschichten. Auch das ist wichtig. Und sein hier ausgezeichnetes Stück „die unverheiratete“ zeugt von seiner Recherche ebenso wie seinem Kunstgriff –.
In „die unverheiratete“ steht eine menschliche Verfehlung im Mittelpunkt. In einer Zeit, in der Gesetz und Moral weit auseinanderklaffen, verhält sich eine Frau zwar gesetzeskonform, aber moralisch alles andere als legitim. Ihr Verrat, ihre Denunziation, durch die Gesetze des NS-Regimes flankierend geschützt, wird zum familiären Sündenfall, zum Generationendrama. Die Frau, die für ihre Tat, die sie öffentlich nie bereute, verurteilt und bestraft wird, büßt nicht allein: Ihre Schuld reicht weiter, setzt sich in der Tochter – die auf die Mutter mit dem Hass einer Elektra schaut – und in ihrer Enkelin fort. Verrat, Liebe und Schuld all das vergiftet drei Frauenleben.
Ewald Palmetshofer erzählt diese Geschichte, die auf einer realen Begebenheit basiert, keinesfalls linear oder vermeintlich chronologisch. Er schöpft einmal mehr sein gesamtes Sprachkönnen aus und vermischt unterschiedlichste dramatische Formen miteinander, denn es geht ihm hier um ein Ineinanderfließen von Zeit und menschlichen Perspektiven. Vor allem die Frage nach der Moral, die in allen Palmetshofer Stücken aufgeworfen wird, ist hier besonders evident: die Moral von dieser Geschicht’ heißt: Sieben Personen oder sieben Positionen suchen einen moralischen Standpunkt?
In soziologischen Auslegungen einer modernen Gesellschaft spielt das „Theorem der Säkularisierung“ eine entscheidende Rolle, demnach stellt die Moderne „die Akzeptanz einer ungewissen historischen Zeit, aus der es kein Entrinnen in die Ewigkeit gibt“, dar. Der moderne Mensch muss über immer mehr und widersprüchlichere Möglichkeiten entscheiden und kann sich dabei keiner „geschichtsübergreifenden Wahrheiten“ bedienen, der mündige Mensch ist also wenig fest an Werte gebunden oder anders gesagt: er muss sie schöpfen und bewahren.
In unserer heutigen postmodernen Gesellschaft ist aber auch das Diktum der Säkularisierung insofern schon wieder überholt, als die Globalisierung die geschichtliche Zeit dermaßen überlastet hat, da – so der tschechische Soziologe Vaclav Bělohradský – selbst das, was die Menschen einmal für ewig gültig hielten, sich als unsichere historische Konstruktion erwies. Das heißt, der Kampf um globale Mündigkeit führt die mündigen Menschen nun zu einem Punkt, wo sie Werte und „Aberglauben“ wieder brauchen, die sie einmal in ihrem Kampf um Mündigkeit bekämpften, um als Gemeinschaft im Verhältnis zu anderen Gemeinschaften auf einem globalen Markt auftreten und bestehen zu können. Werte, die als obsolet galten, müssen jetzt gemeinschaftsbildend fungieren. Das alles führt zu einem Wechselbad von Wertigkeiten.
Genau gegen dieses Wechselbad der Wertigkeiten schreibt Ewald Palmetshofer an. In ihm, dem philosophischsten österreichischen Dramatiker zeichnen sich die unterschiedlichen formalen wie inhaltlichen Debatten der letzten Jahre ab. Darin ist Palmetshofer ein Nachkomme, ein Erbe!, des modernen Theaters. Erbe zu sein bedeutet aber vor allem: interpretieren zu können, zeitlich und räumlich entfernten Instanzen eine Stimme zu geben, das zu verstehen, was von der Vergangenheit übrig und vom Anderen uns eigen ist.
Ewald Palmetshofer ist kein Moralist, kein Prediger, kein Domuentartheater-Mann, nicht die Realität soll auf der Bühne nachgespielt werden, sondern mittels eines dramatisch-literarischen(!) Kunstgriffs Wirkliches befragt werden, durch Sprache, Geist und Herz. Es ist die Frage nach einer beständigen Moral, oder dem moralischen Kit, den eine Gesellschaft braucht um menschlich, um erträglich zu sein, eine Frage nach dem kultivierten, dem erzogenen Menschen und wie er sich zum anderen stellt, wie Menschen mit Menschen umgehen und ob es in unserer Zeit, in der vermeintlich vieles kontigent, wenn nicht schon relativ scheint, es unabänderliche, nicht zu nivellierende, uns eingeschriebene Gesetze oder Verhalten gibt. Gute wie schlechte! Eine postmoderne, säkulare Gesellschaft bedarf daher Künstlerinnen und Künstler vom Schlage eines Palmetshofer, die in subventionierten Institutionen wie dem Theater – und damit in unser aller Auftrag! –, nach den Anforderungen und den Grundwerten unseres Miteinanders fragen und forschen.
„Im Mensch drinnen ist kein Mensch“, Büchners Danton, der die „Gedanken aus den Hirnfasern zerren“ will, um zu erkennen, was in uns Menschen „hurt, lügt, stiehlt und mordet“, ist ein fatalistischer Held, Palmetshofers Bild auf den Mensch kommt auch zu wenig positiven Aspekten, aber wirkt auf mich dennoch nie deterministisch, sondern enthält Hoffnung. Und diese Hoffnung ist bei Palmetshofer eine Aufforderung zur Sensibilisierung und Bewusstmachung.
Palmetshofer, ein Dramatiker vom altem Schlage, überlässt nicht dem Regisseur die Finalisierung seiner Stücke, im Gegenteil: er gibt ihnen Partituren – voller Gedanken und Widersprüche. Seismografisch genau führt er seine Charaktere durch eine vermeintlich alltägliche Extremsituation, die auch die unsere sein könnte. Alles, jeder Gedankenfetzen ist notiert, die Sätze hetzen und denken sich im Kopf des Zusehers an ihr schnelles, syntaktisches Ende. Ein Staccato des Getriebenen und Hoffenden. Ein Versuch zu bannen, was uns zerfrisst.
Ewald Palmetshofer ist ein Moralsuchender, der wahre Stoffe in verdichteter Extremform darstellt und somit das tut was profundes Theater immer tat, eine Realität erdichten, auf das sie uns bekannt, aber nicht wirklich vorkommt und die Möglichkeit der Katharsis, nach einem gehörigen Erschrecken vor allem durch Mitleid und Erbarmen besteht.
Ich gratuliere dir von ganzem Herzen.
Andreas Beck