31. Mai 2019 •
Jedes Jahr im Februar gibt die Auswahljury bekannt, welche Stücke nach Mülheim zu den Theatertagen eingeladen werden. Dann vergeht noch einige Zeit, bis der Spielplan veröffentlicht wird. Was genau ist Ihre Arbeit in dieser Zwischenzeit?
Stephanie Steinberg: Sobald die Entscheidung gefallen ist, brauchen wir zwei bis drei Wochen, bis der Spielplan wirklich feststeht. Die Inszenierungen müssen zunächst technisch geprüft werden, da geht es vor allem um die Frage, welches Stück in welche Spielstätte passt. Danach die finanzielle Prüfung: Können wir uns das leisten? Und drittens: Passt das terminlich für alle Beteiligten?
Gab es in diesem Jahr Schwierigkeiten oder Besonderheiten bei der Verteilung der Spielstätten? Zum ersten Mal war ja die Dezentrale als Spielort im Programm.
Stephanie Steinberg: Ja, besonders war vor allem die Inszenierung atlas vom Schauspiel Leipzig. Die Originalspielstätte in Leipzig hat drei riesengroße Schaufenster mit Blick auf den Leipziger Ring, der als Bühnenbild fungiert und im Stück eine große Rolle spielt. Darum haben wir in Mülheim eine Spielstätte gesucht, die auch den Blick auf eine Straße ermöglicht. Außerdem gibt es in der Inszenierung zwei spezielle Fahrzeuge, die gezielt und zu ganz bestimmten Zeitpunkten fahren müssen. Da gab es einiges mit dem Ordnungsamt zu besprechen.
Welches Bühnenbild war in der Geschichte der Mülheimer Theatertage das aufwändigste, an das Sie sich erinnern können?
Stephanie Steinberg: Ein sehr aufwändiges Bühnenbild hatten wir zum Beispiel bei den Stücken 2009 mit Roland Schimmelpfennigs Hier und Jetzt. Das Bühnenbild von Johannes Schütz verwendete circa zwei Tonnen Rindenmulch und Sand. Außerdem brauchte es abnehmendes Tageslicht. Wir haben dafür dann eine große Halle im Hafen eingerichtet.
Und in diesem Jahr – bei welchen Bühnenbildern wurde es kompliziert?
Stephanie Steinberg: Bei Wonderland Ave.von Sibylle Berg – das war das aufwändigste Bühnenbild. Da war sofort klar: Das passt nur in die Stadthalle. Und das zweite Kölner Stück Schnee Weiss war auch nicht ohne. Die Wagen, auf denen der Schneeberg stand, haben nicht in den Lastenaufzug der Stadthalle gepasst. Deshalb musste das Team in Köln alles auseinander- und in Mülheim auf der Bühne wieder zusammenbauen. Außerdem hat der Sockel, auf dem der Berg steht, nur ganz knapp auf die Bühne gepasst. Da musste erstmal genau die Position gefunden werden, in der man diese Konstruktion noch drehen konnte.
Einige Inszenierungen sind also aus technischen Gründen aufwändig. Gibt es auch Inszenierungen, die aus anderen Gründen schwer zu organisieren sind?
Stephanie Steinberg: Ja. Vor etlichen Jahren war das Burgtheater mit Elfriede Jelineks Sportstück da. Zu der Zeit habe ich hier gerade angefangen und mich um die Hotelbuchungen gekümmert. Dann hieß es plötzlich: „Sportstück: 120 Personen“ – auf der Bühne. Zusätzlich um die 40 Leute in der Technik. In Mülheim gab es damals noch nicht so viele Hotels wie jetzt. Da mussten wir nach Oberhausen ausweichen.
Es kommt vor, dass Inszenierungen von eigentlich nominierten Stücken in Mülheim nicht gezeigt werden können, etwa im vergangenen Jahr Simon Stones Hotel Strindberg aus Wien/Basel, in diesem Jahr Eine griechische Trilogie in einer Inszenierung vom Berliner Ensemble. Woran lag es?
Stephanie Steinberg: Wie gesagt, es gibt drei Voraussetzungen: Es muss technisch und finanziell möglich sein und terminlich passen. Dem Berliner Ensemble war es terminlich nicht möglich, nach Mülheim zu kommen. Bei der Inszenierung von Hotel Strindberg wären alle drei Aspekte ein „Nein“ gewesen. Der technische Leiter hat gesagt, das Stück sei ungefähr dreimal so aufwändig wie jedes andere der Stücke, da hätte man fünf Sattelschlepper aus Wien gebraucht. Das ist dann schade, aber leider nicht zu ändern.
Und was passiert, wenn eine Inszenierung nicht stattfinden kann in Mülheim?
Stephanie Steinberg: Um am Wettbewerb teilnehmen zu können, muss das Stück in Mülheim gezeigt werden. Wenn das nicht geht, kann der Text leider nicht in die Wertung einbezogen werden. Die Auswahljury soll wirklich eine rein künstlerische Entscheidung treffen, sich nicht nach der Realisierbarkeit richten. Deshalb kann es passieren, dass Stücke ausgewählt werden, die schlussendlich nicht gezeigt werden können.
Das Interview führten Katrin Schlömer, Daniel Weber und Clara Werdin.