Die Sache mit Jim


Gespräch

So ganz scheinen sie sich noch nicht aus den Figuren geschält zu haben, die Schauspieler:innen des Bamberger Ensembles. Während sie eben auf der Bühne noch Karikaturen von Dagobert Duck und Superman dargestellt haben, tragen Stefan Hartmann und Daniel Seniuk jetzt auf dem Podium diese beiden Figuren als Druck auf ihren T-Shirts. 

Auch Autor Konstantin Küspert hat den auf der Bühne porträtierten „Westen“ noch nicht ganz verlassen. Für die erste Frage von Moderator Sven Ricklefs brauche er erstmal Bedenkzeit. Er habe die Inszenierung nach einem Jahr wiedergesehen und müsse zunächst darüber nachdenken, wie er aus aktueller Sicht mit dem Stück umgehen soll. Der Westen sei ein Produkt des Hinterfragens, erklärt er: „Was ist das eigentlich: Westen? Was ist das Gegenteil von Westen? Funktionieren die westlichen Werte eigentlich noch? Haben die je funktioniert?“

Auf die Frage, ob die Recherche zwischen „Donald Duck“-Heften, Geschichtsbüchern und dem Internet passiert sei, erzählt der Autor scherzhaft wehmütig, er habe seine persönliche Sammlung „Lustiger Taschenbücher“ für nur 15 Euro an einen Wiener Antiquitätenhändler verkauft. Das bereue er bis heute, ein schlechtes Geschäft.

Wieso Jim Armstrong?

Insgesamt schwankt das Gespräch, wie schon die Inszenierung, zwischen Ernsthaftigkeit und Humor: Immer wieder gibt es kleine Anekdoten und Anlass zum Lachen. Da ist zum Beispiel die Sache mit Jim. Eine Ewigkeit habe das Ensemble darüber gegrübelt und Theorien dazu aufgestellt, warum Küspert den Astronauten, der als erster Mensch den Mond betrat, Jim genannt hat. Tatsächlich sei das aber nur ein Flüchtigkeitsfehler gewesen, gibt Küspert zu. Natürlich sei der richtige Name nach wie vor Neil. Neil Armstrong.

Den Schauspieler:innen sei Küsperts Text ansonsten zugänglich gewesen. Sie heben zum Beispiel die Nähe zum Publikum hervor. Die werde vor allem durch die langen Monologe erzeugt, sagt Stefan Hartmann. Da werden die Zuschauer:innen zu einer Art Mitspieler:in, mit dem man kommunizieren könne. Im Publikumsgespräch bleiben die Zuschauer:innen stattdessen erstmal zurückhaltend. Das liege vielleicht daran, dass die einzelnen Szenen in sich geschlossene schlüssige Situationen seien, sagt Dramaturg Remsi Al Khalisi. Das Schwierige im Probenprozess sei dann, die einzelnen Schnipsel zu einer Collage zusammenzufügen, die im Großen und Ganzen Sinn ergibt. 

Vermischung von Gestern und Heute

Dann doch eine Frage: „Warum wird Christoph Kolumbus als Apple-Mitbegründer Steve Jobs dargestellt?“ Das habe Küspert gar nicht vorhergesehen, erklärt Regisseurin Sibylle Broll-Pape. Aber bei der Auseinandersetzung mit dem Text habe sich die Ähnlichkeit vor allem durch die originelle Sprechart herauskristallisiert. Außerdem sei die Vermischung von Steve Jobs mit Christoph Kolumbus ja auch eine Vermischung von Gestern und Heute, Vergangenheit und Gegenwart. Das verdeutliche die Ähnlichkeiten in der Geschichte der Menschheit. Denn da gebe es oft bestimmte Mechanismen, die immer wieder greifen und Entwicklungen, die sich auf unterschiedliche Art wiederholen. 

Im Laufe des Abends wird auch das Publikum ein wenig kommunikativer, wirklich diskutiert wird aber nicht. Dafür wird gelobt, nämlich die Videoarbeit von Manuela Hartel, in der vor allem das All zu sehen ist. Der Weltraum sei ein nicht verorteter Ort, erklärt sie, der, genauso wie das Stück, aus unterschiedlichen Teilen besteht und deshalb gerade passend sei. Küspert gefällt die retrofuturistische Weltraumästhetik auf der Bühne: Ein bisschen sähen die Zukunftsgestalten aus, als seien sie den 1950er Jahren entsprungen. Auch hier wieder: eine Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeiten, ein Twist zwischen Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart. 

Ohne Lifetime Guarantee

Am Ende greift Moderator Sven Ricklefs die Anfangsfrage zur Aktualität von Küsperts Text auf. Die im Stück erwähnte Premierministerin Großbritanniens, Theresa May, habe ja nun kürzlich ihren Rücktritt verkündet – der Text sei also mittlerweile nicht mehr aktuell. Aus heutiger Sicht würde Küspert den Text an manchen Stellen tatsächlich anders schreiben. Genau aus dem Grund, dass sich das Stück so sehr auf aktuelle Vorgänge beziehe und die Figuren oft Karikaturen von wirklich existierenden Menschen seien.

Konstantin Küspert zeigt sich da aber kooperativ: „Ich bin zwar nicht bereit, alle meine Stücke noch in 25 Jahren zu aktualisieren und mit einer Lifetime Guarantee zu versehen. Aber sollten zu Der Westen in nächster Zeit Anfragen kommen… Das sollten wir schon hinkriegen.“