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Cappuccetto Rosso

Szene aus Cappuccetto Rosso von René Pollesch
Volksbühne Berlin / Salzburger Festspiele


Stücke 06

 

Die Schauspielerin hat ihren Zauber verloren! Dieses zarte Etwas, ihren einzigen Kontakt zur Wirklichkeit, mit dem sie Nazinutten und linksprogressive Intellektuelle verkörpern kann, dass die Kassen der bürgerlichen Unterhaltungsindustrie nur so klingeln. Nun sitzt sie wie ein eingetrocknetes Häuflein Elend in ihrer Garderobe und wartet auf das Wunder, das sie wieder ins Leben zurückruft...
René Pollesch, der seit Mitte der 90er Jahre die deutschsprachigen Bühnen mit seinen theorie-bewaffneten Schnellfeuerattacken überzieht und 2001 für world wide web-slums bereits mit dem Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet wurde, misstraut den Mechanismen der Repräsentation auf gesunde Weise, indem er sie gezielt ins Messer unserer neoliberalen Wirk-lichkeit laufen lässt. Denn wie kann Tobias Moretti noch Adolf Hitler spielen, wenn er mit einem Schäferhund an seiner Seite ein für allemal Kommissar Richie Moser sein wird?
Mit Cappuccetto Rosso, einer scharfsinnig-subtilen Reflexion über die Grenzen des Als-ob, kehrt René Pollesch zu seiner Homebase, dem Prater der Berliner Volksbühne, den er seit 2001 leitet, zurück, wo er sich auf ein bewährtes Team aus Mitstreitern der ersten Stunde wie Christine Groß, Caroline Peters, Sophie Rois und Volker Spengler verlassen kann.
Und während gerade im SPIEGEL und andernorts in einer ressentimentgesättigten Debatte die Rückkehr zu einer heilen, sauberen und damit abgrundtief verlogenen Theaterwelt gefordert wird, legt Pollesch seinen Finger in die wahre Wunde des modernen Regietheaters, denn das Leben kommunizieren ist nicht so leicht, wie die in der Scheißrepräsentation sich das denken.
Silvia Stammen

 

Uraufführung: 
24.8.2005, Salzburg

 

Mit: Sophie Rois, Caroline Peters, Christine Groß, Volker Spengler

Inszenierung: René Pollesch
Bühne: Bert Neumann
Video: Ute Schall