Stücke 2012
Stress ist das Thema in Felicia Zellers Stück X-Freunde, der Stress der Generation „Beißschiene“, hier in Gestalt von Peter Pilz, Bildhauer mit Kreativitätsblockade, Anne Holz, frischgebackene Start-up-Unternehmerin, und Holger Holz, früher mal Koch und Caterer, zur Zeit ohne Beschäftigung, sieht man vom Stress ab, Annes Mann zu sein. Die Anforderungen an sich selbst, maximale Selbstverwirklichung in maximaler Originalität, dazu die Emails, das ganze Networken, Twittern, Handyklingeln: Wo soll Pilz da noch die Zeit hernehmen für die fabelhafte Skulpturenserie X-Freunde, die theoretisch schon viermal verkauft ist, für die die Freunde aber ebenso fehlen wie der erste Schlag auf den Stein? Anne will mit ihrer „Zwei-Arme-Strategie“ „Wege aus der Gleichgültigkeitskrise“ weisen, ohne die Profitmaximierung aus den Augen zu verlieren: „Was kannst du gewinnen, wenn du die Welt verbesserst?“. Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg, der den Laptop zum einzigen wirklichen Liebesobjekt macht, bis zur totalen Verschmelzung: Anne agiert einfach selbst im Laptop-Modus Absturz und Neustart. In ihren abgehackten, wie unter Strom stehenden Sätzen sind Zellers Generationsgenossen Menschen am Rand des Nervenzusammenbruchs, einsam in der Dauerkommunikation, Monologisierer unter dem Diktat der Produktion, durchgedreht im Überfluss. Und Bettina Bruinier jagt ihre Schauspieler am Schauspiel Frankfurt in ein rasantes Crescendo des real existierenden Wahnsinns. Immer rasender laufen sie aus dem Ruder, ohne dabei zu Karikaturen zu werden. Denn dazu bleiben ihre Verzweiflung, ihr Übereifer, ihre Selbsterhitzung allzu nachvollziehbar. Sie sind wir, auf Speed.
Barbara Burckhardt
Mit:
Anne Holz: Claude De Demo
Peter Pilz: Christoph Pütthoff
Holger Holz: Viktor Tremmel
Regie: Bettina Bruinier
Bühne und Kostüme: Justina Klimczyk
Video: Clemens Walter
Dramaturgie: Martina Grohmann