Hebbel am Ufer Berlin
Manchmal ist sie in sich gekehrt. Dann wieder spricht sie so unverblümt mit ihrer Mutter über deren Probleme, dass man meint, sie sei die Mutter ihrer Mutter. Auf der anderen Seite trägt das Mädchen Wunden auf dem Rücken, die davon rühren, dass sie sich von ihrem ersten Freund verprügeln lässt. Eigentlich will sie das nicht, trennt sich vorerst aber auch nicht von ihm, während sich gleichzeitig eine Liebesgeschichte mit einem anderen Jungen entspinnt und sie den jüngeren Bruder in Schach halten muss. Der ist überaus aggressiv und rundet das Bild eines Haushalts der Besserverdienenden ab, das nicht unbedingt dem Familienbild ehemaliger Nachrichtensprecherinnen und amtierender Bischöfe entspricht.
Leyla kommt aus dem arabischen und meint „Nacht“. Da in heutigen Familien nichts mehr ist, wie es scheint, stellt Darja Stocker mit Leyla eines jener Nachtwesen vor, die einen Ausweg aus der Verlogenheit pseudoliberaler Erziehungsverhältnisse suchen. Es sieht so aus, als habe sie den Notausgang bereits gefunden, indem sie mit ihrem neuen Freund Moe den Absprung aus der selbstverschuldeten Duldsamkeit probt und dabei so selbstbewusst wirkt, dass man sich wohl keine Gedanken mehr um sie machen muss. Gleiches gilt für Darja Stocker, deren Sprache sich nicht nur im Kopf einnistet, sondern auch die Theater von Zürich über München und Hannover bis Hamburg veranlasste, den Erstling zu inszenieren und die Potentiale des Stücks frei zu legen.
Jürgen Berger
Rollstuhlfahrerin: Melek Erenay
Bosnierin: Pinar Erincin
Partymädchen: Pegah Ferydoni
Studentin: Nermin Uçar
Konvertierte: Katja Zinsmeister
Inszenierung: Neco Çelik
Bühne: Mascha Mazur
Uraufführung im HAU 3 am 17. März 2006 im Rahmen von „Beyond Belonging – Migration2“
Spielfassung von Insa Popken und Tuncay Kulaoglu
Aufführungsrechte: Rowohlt Theater Verlag, Reinbek
Stückabdruck in Theater heute, 5/2006
Fotos: Ute Langkafel
Casino Leger UA 17.04.2003 Schauspiel Frankfurt, Regie: Marlon Metzen
Halb so wild UA 11.06.2004 Theater Kiel, Regie: Annette Pullen
Ja. tu es. Jetzt UA 10.09.2003 Junges Theater Bremen, Regie: Nomena Struß
Lulu Live UA 22.10.2005, Münchner Kammerspiele, Regie: Luk Perceval
Nathan Messias UA 17.02.2006, Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie: Anna Badora
Schwarze Jungfrauen UA 17.03.2006, Hebbel am Ufer, Berlin, Regie: Neco Çelik - "Stücke 2007"
Kanak Sprak 1995, Rotbuch
Abschaum Roman, 1997, Rotbuch (Kinofilm „Kanak Attack", 2000)
Koppstoff 1999, Rotbuch
Liebesmale, scharlachrot Briefroman 2000, Rotbuch
Kopf und Kragen Kanak-Kultur-Kompendium, 2001, S. Fischer
German Amok Roman, 2002, Kiepenheuer & Witsch
Leinwand Roman, 2003, Rotbuch
Zwölf Gramm Glück Erzählungen, 2004, Kiepenheuer & Witsch
Leyla Roman, 2006, Kiepenheuer & Witsch
1997 civis Hörfunk- und Fernsehpreis, zusammen mit Thomas Röschner für den Beitrag „Deutschland im Winter - Kanakistan. Eine Rap-Reportage"
1998 Drehbuchpreis des Landes Schleswig-Holstein
2002 Friedrich-Hebbel-Preis
2003 Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt
2004 Gastprofessur an der Freien Universität Berlin
2004 Adelbert-von-Chamisso-Preis
2005 Villa-Massimo-Stipendium, Hugo Ball-Preis der Stadt Pirmasens
2006 Kunstpreis des Landes Schleswig-Holstein (gemeinsam mit Jochen Missfeldt)