Stücke ’08
Es geht um die „Beeindruckungsmaschine“, die das Theater ist – und um die Schauspieler, die ihr vergeblich zu entkommen trachten. Ein altes Pollesch-Thema, in Liebe ist kälter als das Kapital wird es miterhellender Verzweiflungskomik und rasenden Gedanken-Loops neu durchgespielt.
Da proben also fünf Schauspieler unter schönstem Slapstick-Einsatz ein Stück, und immer wenn sie aus der bürgerlichen Theaterkulisse nach hinten abtreten, sind sie mitten in den Dreharbeiten zu einem Film. Wie soll da einer sein Gefühl für die Wirklichkeit bewahren, wenn er sie dauernd repräsentieren muss? Was ist überhaupt noch real, und gibt es ein wahres Leben im Theater? Der mediale Inszenierungsdruck produziert Hysterie („Dieses Multitasking halte ich auf Dauer nicht aus!“) und die Sehnsucht nach Widerstand: „Ich will mein Nein kalt aus der Hüfte schießen, ohne Dienst an dem großen Ja!“ Doch Rebellion ist kaum möglich. In Anlehnung an eine Szene aus John Cassavetes’ Film Opening Night weigert sich eine Schauspielerin, sich ohrfeigen zu lassen, obwohl ihre Rolle es verlangt. Also muss sie diszipliniert werden: „Es ist nun mal Tradition. Schauspieler werden geschlagen!“
Ohrfeigen gibt es in dieser Inszenierung dann jede Menge – handfeste wie rhetorische. Auch die RAF kriegt welche ab, denn das Stück entstand im Rahmen der Stuttgarter Projektwoche „Endstation Stammheim“. Doch der Terror der Pose, auf den Pollesch hier abzielt, ist nicht tödlich, sondern täglich.
Christine Dössel
Mit: Silja Bächli, Christian Brey, Katja Bürkle, Florian von Manteuffel, Bijan Zamani
Regie: René Pollesch
Bühne: Janina Audick
Kostüme: York Landgraf
Video: Alexander Schmidt
Dramaturgie: Christian Holtzhauer