LAUDATIO auf Sibylle Berg von Shermin Langhoff


 

Publikumspreis der Stücke 2016

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Ulrich Scholten,

Sehr geehrte Preisträger Carsten Brandau und Wolfram Höll,

Liebe Frau Steinberg,

Und

Liebes Publikum,

ich freue mich sehr, hier auf dieser Bühne der Stadthalle Mülheim die Laudatio auf Sibylle Berg halten zu dürfen, die heute für ihr – für unser – Stück  „Und dann kam Mirna“ mit dem Publikumspreis bedacht wird.

Wo fang ich am besten an?

Was kann ich zu meiner Arbeit mit Sibylle - was kann ich zur Frau Berg, sagen?

Ich könnte zum Beispiel über jene Begegnung mit ihr berichten. Vor einigen Jahren, an einem verregneten Spätsommertag, damals noch designierte Intendantin des Maxim Gorki Theaters, da traf ich mich mit ihr in einem Café in Berlin-Kreuzberg und wir redeten.

Und dann könnte ich davon erzählen, wie am Ende des Tages die Idee zu „Es sagt mir nichts das sogenannte Draußen“, dem Vorgänger-Stück von „Und dann kam Mirna“ geboren war.

Oder ich erzähle Ihnen die Anekdote, wie wir dann, einige Monate später, die jungen Schauspielerinnen Rahel, Nora, Cynthia und Suna zu Sibylle nach Zürich einfliegen ließen, um alle gemeinsam Material für den Text zu liefern.

Denn es stimmt, was einige Theaterkritiker sowohl bei „Das sogenannte Draußen“ als auch „Mirna“ immer wieder feststellten:

Sibylle hat unseren Schauspielerinnen ihre Textfläche tatsächlich buchstäblich, für sie, auf den Leib geschrieben!

Und nein, es sind dann eben nicht nur die Gedanken der wortgewaltig pointierten Autorin, Kolumnistin, Twitterin, die rhythmisch auf das Publikum losgelassen werden.

Oder ich berichte darüber, wie dann, wieder einige Monate später, Sebastian Nübling „Das sogenannte Draußen“ von Sibylle im Rahmen unserer Gorki Eröffnungsstrecke zur Uraufführung brachte. Und als dann Stück wie Inszenierung gleichermaßen von allen gefeiert wurden, da waren wir alle zusammen ausgesprochen aufrichtig beglückt darüber. Und sehr schnell war der Gedanke da, eine Fortsetzung zu machen. - So wie man das eher vom Kino kennt, weniger vom Theater.

Also schrieb Sibylle weiter. Und Sebastian inszenierte weiter. Im Grunde war es beinahe dieselbe Team-Konstellation wie beim ersten Mal. Nach dem „Draußen“ kam „Mirna“.

Die vier jungen Frauen, im ersten Stück noch sinnsuchend um sich und das da Draußen drehend, sind nun Mutter und müssen sich mit ihrer Tochter Mirna auseinandersetzen.

Es fallen Sätze im Sekundentakt, wie:

„Ich will verdammt jemanden, der seinen Liebeskummer nicht mit mir bespricht,

denn ich bin nicht deine Freundin, Mutter. Ich bin von dir abhängig.“

„Und dann kam Mirna“ ist voll von bitterer Komik und Wut und Wucht. Und Sebastian Nübling weiß um diese bloße Stärke von Sibylles Worten und lässt seine acht Darstellerinnen energetisch chorisch über die leere Bühne toben. – Und das Publikum liebt sie dafür erneut!

Und ich versichere Ihnen, dass wir auch dieses Mal wieder ausgesprochen aufrichtig beglückt darüber waren.

Nicht zuletzt, weil Fortsetzungen ja durchaus auch in die Hose gehen können. 

Aber wir waren nicht nur beglückt über die Reaktionen, die Stück und Inszenierung wieder erfuhren, sondern auch beglückt über unser Publikum!

Ich stehe hier, um Sibylle Berg für Ihren Text „Und dann kam Mirna“ zu preisen und ihr zu danken, dass sie uns diesen beschert hat.

Doch ich will die Gelegenheit, hier zu stehen auch nutzen, um unserem Publikum zu danken. Speziell Ihnen, dem Mülheimer Publikum.

Die zweite Hälfte meiner Laudatio gilt deshalb der Stadt Mülheim und ihren Theaterbesuchern. Meine Damen und Herren, für Sie alle hier ist das vielleicht selbstverständlich: Dass sich ein Publikum in einer mittelgroßen deutschen Stadt Jahr für Jahr zu Hunderten neugierig, fachkundig, begeisterungsfähig auf neue Dramatik einlässt. Aber ich darf Ihnen sagen: das ist alles andere als selbstverständlich. Nicht für die Ruhrregion, nicht für NRW, nicht für die deutschsprachige Theaterlandschaft und auch nicht für eine sich selbst permanent feiernde Stadt wie Berlin. Was hier in Mülheim durch eine gute Idee und das hartnäckige Festhalten an ihr entstanden ist, ist einzigartig. Das Festival ist eine Institution, es ist ein Ansporn zum Wagnis für die Theater, neue Wege zu gehen, Literaturen auszuprobieren.

Sie, das Publikum, sind die wichtigsten Juroren unserer Arbeit.

Zwischen uns Theatermachern vom Maxim Gorki Theater und dem Publikum in Mülheim existiert seit nunmehr einigen Jahren schon ein sehr spezielles Band:

2011 waren wir mit „Verrücktes Blut“ von Nurkan Erpulat und Jens Hillje, im vergangenen Jahr mit „Common Ground“ von Yael Ronen & Ensemble hier.

Und in diesem Jahr hatten wir die Ehre sogar mit zwei Produktionen vertreten zu sein. Mit Sibylle Bergs „Und dann kam Mirna“ und mit „The Situation“ von Yael Ronen & Ensemble.

– Und jedes Mal, wenn wir dabei waren, wurden wir mit dem Publikumspreis der Mülheimer Stücke bedacht.

Man kann es Zufall nennen, ich erkenne darin eine besondere Wertschätzung unserer Arbeit.

Und deshalb noch einmal abschließend:

Vielen Dank den Organisatoren für dieses Festival, das einst genial konzipiert wurde, das aber vor allem auch in der Neuformulierung des Begriffs der Autorschaft sich selbst immer wieder neu erfindet.

Vielen Dank an Sie, das Publikum, für den Preis an Sibylle Bergs „Und dann kam Mirna“ in unserer, in Sebastian Nüblings Inszenierung!

Dotiert ist der Preis mit dem Versprechen, dass wir alles dafür tun werden, wieder hier teilnehmen zu dürfen! Deshalb verspreche hiermit: Fortsetzung folgt!

Vielen Dank Mülheim!

 

vorgetragen am 12. Juni 2016 von Lutz Knospe, persönlicher Referent von Shermin Langhoff