Kassandra oder die Welt als Ende der Vorstellung

Szene aus Kassandra oder die Welt als Ende der Vorstellung von Kevin Rittberger
Schauspielhaus Wien

2 Stunden



Stücke 2011

 

In der Orestie ist Kassandra eine trojanische Seherin, die das Unheil prophezeit, ohne gehört zu werden. Bei Kevin Rittberger bezeichnet Kassandra keine bestimmte Figur, sondern ein Dilemma: Es gibt Situationen, in denen Aufklärung zwecklos ist, wenn nicht sogar kontraproduktiv. Der erstmals für Mülheim nominierte Rittberger (geb. 1977) bringt in Kassandra oder die Welt als Ende der Vorstellung ein ebenso brisantes wie komplexes Thema auf die Bühne. Der Tragödie afrikanischer Boat People, die unter Lebensgefahr die Flucht nach Europa wagen, stellt Rittberger das Dilemma westlicher Gutmenschen gegenüber, die helfen wollen.
Das Stück, das auf Interviews des Autors basiert, ist eine eigenwillige Mischung aus dokumentarischem Theater und gesellschaftskritischer Satire. Im ersten Teil wird in Form eines Lehrstücks die Geschichte einer Afrikanerin erzählt, die es nach jahrelanger Odyssee endlich ins Boot nach Spanien schafft – und bei der Überfahrt samt ihren Kindern ums Leben kommt. Im zweiten Teil wechselt Rittberger die Perspektive: Jetzt treten Europäer auf den Plan, deren Engagement fatale Konsequenzen hat. Eine Dolmetscherin etwa zeigt Missstände in einem griechischen Asylheim auf – und macht dadurch alles nur noch schlimmer. Wie das afrikanische Dilemma gelöst werden könnte, weiß Rittberger auch nicht. Aber Kassandra macht auf kluge und originelle Weise deutlich, worin das Dilemma überhaupt besteht.
Wolfgang Kralicek

 

Uraufführung: 
1.4.2010

 

Mit:
Vincent Glander
Bettina Kerl
Steffen Höld
Katja Jung
Max Mayer
Nicola Kirsch

Regie: Felicitas Brucker
Bühne: Frauke Löffel
Kostüme: Sara Schwartz

 

Stückabdruck: 
Theater heute, Heft 5/2011