Sisters in "Sistas!"


Diskurs

Viele sind bestimmt schonmal mit ihren engsten Freund*innen ins Theater gegangen.  Manchmal kommt man mit gleichen Erwartungen zur Vorführung und verlässt den Abend mit unterschiedlichen Empfindungen. Die einen finden bestimmte Szenen gut, die anderen nicht. Einige können sich mit bestimmten Figuren identifizieren, andere sehen die Charaktere als Kunst, die in der Realität nicht existiert. 

Zu „Sistas!“ (Golda Barton) habe ich meine „Sisters“, meine drei besten Freundinnen (die hier anonym bleiben) eingeladen, die alle einen unterschiedlichen Bezug zum Theater haben. Wie die meisten Besucher*innen haben sie den Text nicht gelesen, nur die Kurzbeschreibung der Inszenierung. Trotzdem hat jede dieselbe Erwartung an das Stück, denn der Titel schreit förmlich nach Feminismus und auch die Thematisierung von Rassismus liegt nahe. Wir rechnen mit amerikanischem Akzent, „female energy“ und dynamischer Rede. „Schön, dass hier noch gesaugt wird, bevor es losgeht“, sagt die erste, als wir uns setzen, und lacht dabei. Humor setzen wir ebenfalls mit auf die Liste der Erwartungen. 

Wir alle finden den Einstieg in die Inszenierung schwierig, denn irgendwie wird kein einheitlicher Stil deutlich. Die mittlere Schwester spricht erst in hohem Ton, dann wechselt sie in Alltagssprache, aber die wirkt leicht gekünstelt: komödiantisch oder schlechter Text? Wir reagieren erstmal skeptisch. Dann erklingt der Operngesang der ältesten Schwester. Ganz schlimm, denn uns erinnert dieser Moment an unseren früheren Gesang im Schultheater. Freundin Nummer eins und ich kämpfen darum, nicht in lautstarkes Gelächter auszubrechen. Die Handlung bleibt verwirrend. Worum geht es hier eigentlich?, fragen wir uns. Drei Schwarze Schwestern in einer Berliner Wohnung, im Familiendrama mit dem Vater. Aber eine wirkliche Handlung können wir nicht erkennen. Eher befinden wir uns in einem Vortrag über gesellschaftskritische Themen. Wir haben mit mehr gerechnet als der Präsentation einer Liste von Klischees und Stereotypen im satirischen Format. Dass kritisiert wird, und vor allem auch indirekt, ist gut – es hätte aber kreativer verarbeitet werden können. 

Nationalitäten im Überblick

„Was ist eigentlich mit der Asiatin?“, frage ich meine erste Freundin. „Ich glaube, die soll eine Katze verkörpern“, lautet die Antwort. Das klingt für mich plausibel, denn die Schauspielerinn befindet sich konstant zusammengekauert am Klavier, auf dem Winkekatzen stehen. Sie spielt manchmal, redet aber nicht: Damit demonstriert sie das Stereotyp der stillen, gebildeten Asiatin. Doch dann beginnt sie, Reis in sich hineinzuschaufeln und bekommt einen Monolog. Vieles ist „too much“ für uns: die ausgiebige Perfomance der Asiatin, das obszöne Gegenstände-Schlucken der „Türkin/Perserin/Araberin“, das übertriebene Süßigkeiten-Lecken der Schwestern. Aber die Schauspielerinnen scheinen damit kein Problem zu haben. „Die mit dem grünen Gürtel“ finden meine erste und zweite Freundin am besten. 

Meine dritte Freundin bewertet die Kostüme als verwirrend, denn sie wirken nicht neu genug, um in die heutige Zeit zu passen, aber auch nicht alt genug, um zu den Fotos zu gehören, die manchmal auf die Bühne projiziert werden. Mit denen wir im Übrigen auch nichts anfangen können. Irgendwie stehen sie in Verbindung mit dem Vater der Schwestern: dem Schwarzen Amerikaner, der für eine kurze Zeit nach dem Krieg nach Deutschland zurückkam und als Held gefeiert wurde. Sein Monolog hat mich sehr berührt – gerade im Gegensatz zu seiner restlichen Schlechter-Vater-Rolle. 

Unser Fazit

Es war unterhaltsam, auch wenn uns viele Aspekte nicht gefallen haben. Ein besonderes Highlight für uns alle war es, als die erste Freundin mit der „Türkin/Perserin/Araberin“ interagierte und ein Eis gegen ihre Haarklammern tauschte. „Ich wollte es unbedingt haben“, sagt sie und ist nebenbei bemerkt die Einzige aus dem Publikum, die ihr Eis in irgendeiner Weise bezahlt hat. Mit diesem Moment hatte niemand von uns gerechnet. Ein weiteres Highlight war die Country-Musik, die genauso überraschend war und uns alle mitgerissen hat. Generell war die Inszenierung meinen Freundinnen „zu Möchtegern neumodern“. Vielleicht resultiert diese Gezwungenheit, die das Stück so unnatürlich macht, aus der Autor*innenschaft, überlegt meine erste Freundin: „Alle, die am Ende auf die Bühne gekommen sind, waren weiß.“ Dies wirft die Frage auf, ob weiße Menschen überhaupt dazu in der Lage sind, das Thema Rassismus gut auf die Bühne zu bringen. Dafür sind die Erfahrungen vielleicht zu unterschiedlich, was auch erklärt, warum wir „Sisters“ uns kaum mit den Schwestern identifizieren konnten, wie eigentlich erhofft.