Eigentlich geht das gar nicht


Gespräch

Das Publikumsgespräch setzt da an, wo auch der Entstehungsprozess des Stückes beginnt. Katharina Stoll, neben Isabelle Redfern die Regisseurin von „Sistas!“, betont hier die Zusammenarbeit des Kollektivs Glossy Pain und dem Ensemble: Zu Beginn stand die Stückidee, gefolgt vom Text von Golda Barton und bereichert durch die intensive Zusammenarbeit mit den Schauspieler*innen. Die Grundlage des Stückes liegt in Tschechows Drama „Drei Schwestern“. Allerdings ist die Handlung „Berlin-typisch“ gestaltet und lässt alte wie neue Diskurse einfließen.

Auf die Frage, wie viel der Schauspieler*innen selbst im Text steckt, antwortet die Schauspielerin MING, die die Pianistin Soo Jin spielt, einfach nur mit „gar nichts“. Sie selbst habe die genannten Klischees über ihre Figur nicht erlebt, habe aber Erfahrungen anderer gesammelt und miteinfließen lassen. MING ist eigentlich Pianistin, keine Schauspielerin. Sie verkörpere allerdings eine klischeebeladene Figur, die sie selbst durch die Attribute „Frau, klassische Musik, Asien“ bereichert. 

Da das Stück vor Stereotypen und „heiklen Themen“ trieft, ist die Frage nach der Umgangsweise der Spieler*innen mit denen im Stück angesprochenen Themen wie Rassismus relevant. Schauspielerin Diana Marie Müller lobt hier die intensive Vorarbeit, die durch zahlreiche Gespräche über historische und aktuelle Diskurse geleistet wurde. Durch die lange Vorlaufszeit vor den Proben bekamen die Spieler*innen die Möglichkeit, „Themen sacken zu lassen“ und sich Zeit zu nehmen, wie beispielsweise für die Frage, ob Rassismus die Aufgabe der PoC sei. 

Das Einbeziehen der verschiedenen Akteur*innen in den Entstehungsprozess wird auch beim Publikumsgespräch sehr deutlich. Auf dem Podium herrscht eine liebevolle und sehr respektvolle Stimmung der Beteiligten untereinander und die Beiträge von jeder/jedem werden miteinbezogen und für wichtig genommen. Dies zeigt deutlich, dass das Stück ein gemeinsames Projekt ist und nicht Produkt einer Einzelperson. 

Zukunftsvision?

Moderatorin Cornelia Fiedler weist darauf hin, dass im Stücktext explizit erwähnt wird, dass die Rollen der Schwestern mit PoC besetzt werden sollen. Regisseurin Katharina Stoll erklärt, dass die Figuren viel scheitern und viel sagen, „was gar nicht geht“. Die eigentliche Intention des Stückes würde verfehlt, wenn weiße Schauspieler*innen diese Rollen übernehmen. 

Das Gespräch bleibt im Themenfeld, das sich mit dem Umgang von Rassismus in der heutigen Gesellschaft beschäftigt. Eine Frau aus dem Publikum weist auf ihre Beobachtungen hin, dass beim Aufkommen der Themen rund um Diskriminierung oder Migration die Atmosphäre im Raum direkt angespannt werde. Bei der Aufführung habe sie aber eine ungewöhnliche Leichtigkeit bemerkt. Sie empfand den Abend als eine Art der Zukunftsvision, die zeige, wie ein Umgang mit dieser Art von Themen aussehen kann. Diese Leichtigkeit ist genau das, was dieses Stück erreichen wollte, stimmt Diana Marie Müller zu. Ihre Figur Masha im Stück plädiere dafür, nicht im „Opferstatus“ zu verharren, sondern emanzipiert weiterzuziehen. Das Stück biete die Chance, die „Opferrolle“ zu verlassen und so die Menschen zu erreichen, die eigentlich „keinen Bock auf die gezeigten Diskurse haben“.  

Auch die Frage nach der zeitlichen Situierung des Stückes beschäftigt das Publikum. Durch diverse Hinweise wie thematisierte historische Ereignisse kann die Handlung ungefähr auf Anfang der 1990er in Berlin festgelegt werden. Der Bühnenbildnerin Lani Tran-Duc ist diese Ungewissheit der zeitlichen Einordnung sehr wichtig. Ihr gelingt es, durch Requisiten, welche das Bühnenbild ins Absurde führen sollen, die Vermischung des 90er Jahre Settings mit den aktuellen Diskursen eindrücklich darzustellen. 

Gegen Ende des Gesprächs vermischt sich das Lob der Zuschauer*innen mit Katharina Stolls Euphorie von der Möglichkeit des Reisens mit dem Stück. Sie betont die Spannung, die sich bei jedem Auftritt in einer neuen Stadt durch das diverse Publikum ergibt.