Theater trifft Taschenbuch


Diskurs

Vor dem Theaterbesuch mal eben in das Stück reinlesen. Oder nach der Vorstellung den Text mit nachhause nehmen wollen – was bei Texten des klassischen Dramenkanons in der Regel problemlos möglich ist, ist bei zeitgenössischen Dramentexten nahezu unmöglich. Der Zugang dazu bleibt einem breiten Publikum meist verwehrt. Eine der wenigen Ausnahmen bildet das Fachmagazin Theater heute, das monatlich erscheint und dem immer ein Stückabdruck beiliegt. Dafür muss dann aber gleich auch das ganze Magazin mitgekauft werden. Geht es nicht auch anders?

Der Suhrkamp Theater Verlag hat sich diese Frage auch gestellt, wie Verlagsleiterin Christiane Schneider in einem Interview erklärte. Und als Antwort im September 2021 eine neue Buchreihe, Suhrkamp Theater, herausgebracht. Statt schwerer, hochwertiger Aufmachung erscheint jeweils ein Stück in einem handlichen, leuchtenden Taschenbuch. Jedes der Bücher hat dabei seine individuelle Farbkomposition. Die Bücher fallen mit ihrem bunten, knalligen Regenbogenfarben-Look sofort auf. Ausgewählt wurden Theatertexte, die sich auch hervorragend als Lesetexte eignen.

In den ersten beiden Bänden wurden „WUNDER“ von Enis Maci und „Mutter Vater Land“ von Akın Emanuel Şipal ausgewählt, der mit ebendiesem Text für den Mülheimer Dramatikpreis 2022 nominiert ist. Die Uraufführungsinszenierung des Theater Bremen ist am kommenden Mittwoch im Ringlokschuppen Ruhr zu sehen. Zuletzt erschienen „RAND“ von Miroslava Svolikova und „Like Lovers Do (Memoiren der Medusa)“ von Sivan Ben Yishai, dessen Uraufführungsinszenierung von Pınar Karabulut an den Münchner Kammerspielen jüngst beim Berliner Theatertreffen zu sehen war. Yishai konkurriert in diesem Jahr ebenfalls mit Şipal um den Mülheimer Dramatikpreis. Nominiert ist sie mit ihrem Text „Wounds Are Forever (Selbstportrait als Nationaldichterin)“.

Eine weitere Besonderheit der Taschenbücher ist ihr Innenteil: Statt eines begleitenden Essays, was sonst üblich ist, wird der Text im Umschlag von Porträtfotos der oder des jeweiligen Autor*in gerahmt. Dazu gibt es im Mittelteil Material aus den Werkstätten der Autor*innen, die Bezug zum Thema oder dem Entstehungsprozess geben. Bei „Mutter Vater Land“ sind es beispielsweise Filmstills aus einer Produktion, für die Şipal das Drehbuch geschrieben hat und die thematische Ähnlichkeit zum abgedruckten Text aufweisen.

Theater ist von seiner Natur aus etwas Flüchtiges, Vergängliches. Bücher sind es, die bleiben, die überdauern. Beides zusammenzutragen ist eine tolle Möglichkeit, Texte eines Tages lesen zu können, die längst nicht mehr gespielt werden, aber eine Momentaufnahme der Vergangenheit sind. Im Herbst erscheinen zwei neue Bände der Buchreihe.