12. Mai 2021 •
Ein anderes Wort für "alles". Ein anderes Wort für „alles“, was wir wahrnehmen, greifen, fühlen, messen, sehen können. Ein Wort für „alles“, was darüber hinausgeht, über den menschlichen Verstand. Ein Wort, das „alles“ umfasst, was ist. Vielleicht braucht es dafür nur den Begriff des Universums. „Das Universum“ umfasst ziemlich viel. Es umfasst alle Planeten, Sterne und Galaxien. Es umfasst Licht, Raum und Zeit. Es umfasst dich und mich und alles, was zwischen uns liegt.
Beginnen wir im Weltall, in der Geräusch- und Schwerelosigkeit. Versuchen wir die Grenzen auszumachen, die Grenzen der Räume, die Teil des Universums sind. Zoomen wir ran. Zoomen wir an den Galaxien vorbei, durch das Netz an Filamenten, zoomen wir zum Sonnensystem. Am Neptun und am Uranus vorbei, Saturn, Jupiter, Mars. Zoomen wir durch die Thermosphäre, die Mesosphäre und die Stratosphäre. Zoomen wir zur Erde, zoomen wir zur Welt.
Vielleicht können wir schon die Meere erkennen. Und wo die Grenzen sind zum Land. Vielleicht sehen wir die Chinesische Mauer, und wie sie sich in einer Länge von 21.000 Kilometern über die Erde erstreckt. Vielleicht sehen wir Strände und Wiesen und Wüsten und Felder. Vielleicht sieht von oben alles aus wie ein einziger großer Flickenteppich. Zoomen wir ins Meer, durch die Plastikschichten und immer tiefer ins Wasser, wo die Geräusche ganz dumpf werden, zoomen wir ins Korallenriff und in den Bauch des Wals. Oder: Zoomen wir zum Amazonas und zu den verschiedensten Pflanzenarten, zoomen wir zum Feuer. Oder: Zoomen wir in die Städte, wo Wolkenkratzer an Wolkenkratzer an Wolkenkratzer stehen. In den Straßen ist Bewegung!
Zoomen wir zu den Menschen, an ihre gehetzten Gesichter, von Masken verdeckt. Zoomen wir in ihre Smartphones in die Welt des World Wide Web. Oder: Zoomen wir ran, bis in unsere eigenen Gehirne. Ich kehre in mich selbst zurück und finde: eine Welt! Je näher wir kommen, desto vielschichtiger wird das, was wir sehen, desto mehr schlüsselt sich alles in immer kleinere Welten auf. Es schlummern viele Welten in dieser einen. Werfen wir einen Blick auf sie.
Das Mülheimer Stücke-Festival zum Beispiel legt den Fokus auf den Theatertext, auf Buchstaben auf weißem Papier, auf Textflächen, Excel-Tabellen, Lyrik, Drama. Was macht das Theater? Es beobachtet. Es baut Miniaturwelten auf die Bühnen. Im Theater bekommen wir Einblicke in die Welten unserer Welt. In Welten, die von vielen lange Zeit unbemerkt bleiben oder in Welten, die man eigentlich nicht mehr betreten kann, weil Raum und Zeit nicht mehr mit dem jetzt und hier übereinstimmen.
Beim diesjährigen Stückefestival wird das Universum sogar explizit aufgegriffen. So taucht es bereits in zwei Titeln der Kinderstücke auf: Dea Lohers Stück heißt „Bär im Universum“ und Bernhard Studlar ist mit seinem Text „Megafad oder Der längste Nachmittag des Universums“ nominiert.
Deshalb wollen wir in dieser Kolumne das Universum, und die Welten, die in ihm schlummern, auf kreative Art und Weise unter die Lupe nehmen, wollen wir neue entdecken, beobachten und analysieren. Wir wollen sie festhalten - in kurzen Texten, Gedichten, Fotografien und Zeichnungen. Wir wollen unsere Gedanken zu den Welten teilen, die uns das Stücke-Festival eröffnet. Sei es durch die Stücke selbst, durch Interviews oder durch unsere Redaktionstreffen im World Wide Web. Wir zoomen ran:
Das ist die Erde. Ein kleines Stück vom Universum.
Foto: Kathi Brinkhoff.