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Dramaturgie der Disko


Diskurs

Clara Werdin: Wie war Ihre erste Reaktion auf Wolfram Hölls Text? 

Georg Mellert: Hölls Text ist etwas, das man so nicht kennt, selbst wenn man mit unterschiedlichen Textformen vertraut ist. Wolfram Höll hat das Stück „Disko“ im Auftrag des Schauspiel Leipzig geschrieben. Auf diese Weise bekommt man die Entstehungsgeschichte des Textes natürlich anders mit, als wenn man nur das fertige Endprodukt auf den Tisch gelegt bekommt. 

Lena Sophie Weyers: Wie hat sich der Text im Laufe der Zeit entwickelt?

Georg Mellert: Am Anfang hatte der Text den Charakter eines Formalexperimentes, in dem inhaltlich noch gar nicht viel geschieht. Wolfram Höll hat erst mal einfach ausprobiert, wie es mit dieser Tabellen-Struktur funktionieren könnte. Da gab es dann auch mal Seiten, auf denen ausschließlich BUMS TSCHICK stand, oder auf denen noch die Songtexte, die er als Inspiration benutzt hat, aufgetaucht sind. Langsam hat der Text dann Gestalt angenommen und es kamen immer mehr Module dazu, aus denen das Stück jetzt ‚geschichtet‘ ist. Wie Wolfram Höll es schafft, gesellschaftliche Konflikte über die musikalische Struktur zu erzählen, ist etwas Besonderes.

CW: Stammt die Idee, den Text in dieser Form zu schreiben, von Wolfram Höll?

Georg Mellert: Der Auftrag war von unserer Seite inhaltlich und formal sehr offen. Wir haben eine Spielstätte am Schauspiel Leipzig, die ausschließlich der neuen Dramatik gewidmet ist. Diese heißt tatsächlich auch ‚Diskothek‘, weil da in den 1990ern mal eine Diskothek drin war. Anfang 2018 haben wir diese Spielstätte eröffnet. Anlässlich dieses Ereignisses haben wir Wolfram Höll gebeten, ein passendes Stück zu schreiben. Auch, weil wir schon öfter mit ihm zusammengearbeitet haben.  

LSW: Was waren Ihre konkreten Aufgaben als Dramaturg in Bezug auf diese besondere Art von Text? 

Georg Mellert: Die Arbeit war eine Herausforderung, weil man erst mal herausfinden musste, wie hoch der Anteil an Figurenrede ist oder inwiefern der Text lautmalerische Rhythmik beinhaltet. Eine konkrete Aufgabe bestand auch darin, die Manuskriptseiten, die wir von Wolfram Höll bekommen haben, in Excel zu übertragen, um im Probenprozess mit dem Text umgehen zu können. Bei einer Auftragsarbeit kommt natürlich noch die Kommunikation mit dem Autor dazu: Typische Fragen waren da zum Beispiel, wie die Besetzung des Stücks aussehen soll. 

LSW: Nach welchen Kriterien haben Sie die Besetzung ausgewählt?

Georg Mellert: Wir haben darauf geachtet, welche Schauspieler:innen musikaffin sind oder wer gut mit Rhythmus umgehen kann. Und ich glaube, da haben wir die richtigen Leute gefunden.

CW: Was war die Herausforderung im Probenprozess? 

Georg Mellert: Das musikalische Einstudieren war ein großer Teil der Probenarbeit. Am Anfang haben wir einfach mit einem Metronom experimentiert. Aber dann hat unser Musiker im Team, Jan Beyer, eine Eigenkomposition entwickelt, die sehr nah am Metrum ist und hat das schließlich wie ein Chordirektor mit dem Ensemble geprobt. Dann ging es vor allem darum, wie man innerhalb dieses Konstrukts schauspielerisch agieren und Figurenbeziehungen aufbauen kann. Da haben wir uns teilweise gefühlt wie bei einem Musiktheaterstück, weil die musikalische Struktur bei „Disko“ mehr Bedeutung trägt als bei einem klassischen Schauspiel.

LSW: Ist der Rhythmus im Hintergrund als Hilfe für die Schauspieler gedacht?

Georg Mellert: Der Rhythmus soll tatsächlich als Fundament für die Schauspieler:innen dienen. Wir haben sogar erst probiert, den Text a-cappella, also ganz ohne musikalische Begleitung, zu performen. Aber dabei ist schnell klar geworden, dass die Musik eine wichtige Stütze für die Schauspieler:innen ist und gleichzeitig den Text strukturell und inhaltlich zusammenhält.