Immer wieder Promi Dinner


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Das Problem mit dem Fernseh-Format „Das perfekte Promi Dinner“ ist, dass man nach inzwischen über 2000 Folgen weiß, wie der Hase läuft. Das oft peinlich betriebene Selbstmarketing ist ein Sammelbecken für all jene, die sich für Promis halten, aber es dann gerade mal zur Fast-Bekanntheit bringen. Vor der Kamera soll die eigene Irrelevanz so elegant wie möglich weggelogen werden und wird gerade deshalb umso offensichtlicher.

Was hat die Frankfurter Uraufführung des Stücks „Zweite Allgemeine Verunsicherung“ damit zu tun? Der Reihe nach. Zuerst zum Stück selbst: Die Textfläche der Dramatikerin Felicia Zeller sieht weder Sprecher noch Figuren vor. Das Stück wird gerahmt von einem „Mantra“ am Anfang („Ich bin ein Mensch…ich bin okay, das ist mein Mantra“) und einer Erkenntnis am Ende („Ich liebe die Wiederholung.“). Von Beginn an kreist die Sprache um das Text-Selbst und seine (allgemeinen) Verunsicherungen. Wiederholungen und Variationen sich ähnelnder Konflikte bilden den inhaltlichen Kern. Auf formaler Ebene wird die wiederkehrende Verunsicherung durch Sprachellipsen inszeniert: „Was hast du getan, was hat sich in dieser Welt durch dich. Das einzige, was passiert ist,…“. Zeller verortet ihren Wiederholungsreigen mal auf dem roten Teppich, mal in einem Hinterzimmer, in einem Hostel, in der Hölle oder im Theater selbst.

Zwischen trashig und surreal

In Johanna Wehners Inszenierung werden diese Orte nicht expliziert markiert, vielmehr wirkt es so, als könnten ihre Figuren aus dem Raum, in dem sie sich befinden, gar nicht mehr entkommen. Den hat Bühnenbildner Volker Hintermeier durch ein sperriges, tunnelartiges Eisengestell gestaltet, dessen Boden schräg zum vorderen Bühnenrand abfällt. Eine schiefe Ebene, auf denen die Schauspieler immer wieder nach Halt und Balance suchen müssen. Alles wirkt wie in einem postapokalyptischen Szenario: Metallgitter und -streben erinnern an stillgelegte Bahnhöfe, einzige Lichtquellen sind ein tief gehängter Kronleuchter und eine weiße Leuchtstoffröhre, die von Zeit zu Zeit aufflackert. Dazu ertönt ein unangenehmer Elektrosound. Hin und wieder steigt Bühnennebel auf – urbaner Smognebel vielleicht. Eine Welt irgendwo zwischen trashig und surreal.

Willkommen in der Promihölle

Anfangs schauen drei Schauspielerköpfe aus dem Boden. Statt mit dem Mantra zu beginnen lässt Wehner einen ihrer Schauspieler fragen: „Ist das hier die Hölle?“ Ja! Denn wie das Text-Selbst kreisen auch die fünf Schauspieler, auf die der Text verteilt ist, beobachtend und kommentierend umeinander, kommen immer wieder kurz zusammen, nur um sich erneut zu verlieren. In ihren extravaganten Kostümen und ihrem artifiziellen Spiel stehen die Spieler den Teilnehmern des eingangs erwähnten TV-Formats in Nichts nach. Willkommen in der Promihölle! Es geht ums Sehen und Gesehen-Werden, und sei es zum zigtausendsten, immer gleichen Mal.

Glücklicherweise wird bei diesem Leerlauf der Eitelkeiten Spielfreude zum Spielprinzip: Vincent Glander darf als Doppelgänger von Jürgen Drews eine flammende Rede halten, nur um im nächsten Moment verunsichert im überdimensionalen weißen Fellmantel zu versinken. Constanze Becker arbeitet sich als dauerneurotische Diva am Widerstand ihres viel zu langen, gifttürkisenen Kleids ab, während sich Martin Rentzsch mit Film-Noir-Outfit und der Behäbigkeit eines ausrangierten Showmasters das Promi-Abstellgleis redlich verdient. Verena Bukal fällt als wasserstoffblonde Drehbuchautorin zwischen eitler Koketterie und übertriebenem Selbstmitleid nicht hinter ihre Promikollegen zurück. Till Weinheimer in Glitzerweste belehrt indes seine Mitinsassen mit Sätzen wie: „Das ist was anderes, wenn jemand wie sie Kaffee trinkt. Jemand wie sie hat einen ganz anderen Bezug zum Kaffeetrinken.“, oder: „Vieles was wir nicht tun, hätten wir tun können. Darum sind wir hier.“

Faulige Leere zur besten Sendezeit

Ja, genau, warum sind wir eigentlich hier? Wirken die Prominenten-Zerrbilder anfangs noch pointiert und spaßig, wird die Inszenierung mit der Zeit zunehmend redundant. Zellers Text gerät zur Vorlage einer immer wieder gleichen Dekonstruktionsbewegung, die sich in ihren Varianten erschöpft und den Text kleiner und kleiner erscheinen lässt. Witze versinken in der Redundanz des Bühnengeschehens, werden zu Witzchen und schließlich zu albernen Kalauern. Die Promihölle wird zum Promizirkus und atmet alsbald eine ähnlich faulige Leere wie ihr TV-Pendant zur besten Sendezeit. Das nervige Dünnbrettgebohre an der Oberfläche von Zellers Text verbirgt das, was außerdem noch in ihm steckt. Das Misstrauen gegenüber der eigenen Sprache und die Verunsicherung im eigenen Sprechen, die Zellers elliptischer Text zu vermitteln sucht, sind in der Inszenierung kaum wiederzuerkennen: Stattdessen spielen sich die Schauspieler die Bälle zu, indem sie einander an diesen eigentlich offenen, „verletzlichen“ Stellen ins Wort fallen, angefangene Sätze (vermeintlich) ergänzen, oder einfach das Thema wechseln.

Wiederholung und existentielle Unruhe

Dabei kann Zellers Text mehr, als die satirisch-polemische Oberfläche vermuten lässt. Er kreist um den in der Wiederholungsschleife gefangenen Menschen des 21. Jahrhunderts, der sich überfordert fühlt in einer überforderten Welt. Im Kampf mit dem eigenen Originalitätsanspruch kann er nur eines mit Sicherheit sagen: Gewiss ist nur die Wiederholung. Zellers Schluss, den die Inszenierung unter den Tisch fallen lässt, trägt eine existentielle Unruhe in sich, die mitunter auch in den scheinbar rein satirisch-polemischen Textoberflächen durchblitzt. Deshalb sei an dieser Stelle der Schluss des Texts zitiert:

„…noch eine Kopie der Nachricht von 2013, die keine Kopie der Nachricht von 2014 ist und auch keine Kopie der Nachricht von 2015, die in unserer Zeitung erscheint, die jeden Tag erscheint, die ich jeden Morgen lese und dieses Lesen der Zeitung beim Frühstück ist genau so eine Wiederholung, die ich wirklich sehr liebe. Jetzt hast du etwas gefunden, was du liebst, das ist gut, denke daran, ich liebe, denke an das was du liebst. Ich liebe die Wiederholung. Was?“