Symposium 2009 - Blick-Wechsel: Bild-Wechsel


zurück zur Übersicht Symposien


BLICK-WECHSEL : BILD-WECHSEL

29. bis 31. Mai 2009


Internationale Begegnung zum kulturellen Bildtransfer zwischen Theater, Kunst und Theorie

Zum dritten Mal fand im Rahmen der „Stücke“ ein Symposium statt, das Themen im zeitgenössischen Theater reflektierte. 2009 war der Partner ist die Theater- und Mediengesellschaft Lateinamerika e.V., die sich seit mehr als 20 Jahren für den interkulturellen Dialog zwischen der deutschsprachigen und der lateinamerikanischen Theaterszene engagiert.

Jeder macht sich Bilder von der Welt. Von der eigenen Welt, von anderen Welten. Wem aber gehören die Bilder? Wann beginnen sie ein eigenes Leben zu führen? Wer urteilt darüber, ob Bilder wahr oder falsch, Schein oder Sein sind? Wann prallen die eigenen mit anderen Bildern, Welten und Perspektiven zusammen?
BLICK-WECHSEL : BILD-WECHSEL fragte, wie und wo Bilder gemacht werden, wie sie auf Reisen gehen, wer sie sich aneignet, wie sie bekriegt werden, sich gegenseitig befruchten oder Potentiale freisetzen. Im Privaten wie im Öffentlichen.
Was einst der tödliche Blick der Medusa, ist heute der Blick der Medien. Inszenierungen von Wirklichkeit, sterile Kriegsbilder im Fernsehen, Überwachungskameras, die Bilder einfangen, über die wir selbst nicht verfügen. "Medusa-Effekt" nennt Karl Otto Werckmeister diese unheimliche, global wirksame Herrschaft. Unter Einsatz des Körpers lädt das Theater ein, der Medusa und ihren Bildern in die Augen zu schauen, dem Schock, der Angst "eine Folie anderer Bilder entgegenzusetzen" (Armin Petras): "Theater als pures Ereignis" (Rafael Spregelburd).
Das Symposium BLICK-WECHSEL : BILD-WECHSEL suchte über den interkulturellen Austausch von Bildern nach Strategien der Unterwanderung. Können die Künste und insbesondere das Theater in ihrer spielerischen Dimension Orte des Blickwechsels, der Verhandlung und auch Veränderung öffentlicher wie persönlicher Bilder schaffen?
Zum Auftakt veranschaulichte das Gastspiel der Inszenierung aus Uruguay von „Das letzte Feuer“ der letztjährigen „Stücke“-Preisträgerin Dea Loher, wie der Bild- und Sprachtransfer in der Praxis funktioniert, wenn Theater auf Reisen geht.
Eingeladen sind die Theatermacher Rafael Spregelburd (Argentinien), Manuela Infante (Chile), Sérgio de Carvalho (Brasilien) und Armin Petras sowie der Kritiker Jürgen Berger, die Wissenschaftler Prof. Hans-Thies Lehmann und Prof. Kati Röttger und die Performerin Angie Hiesl. Außerdem beteiligen sich am Gespräch Roberto Ciulli, Intendant des Theater an der Ruhr, und Frie Leysen, Direktorin von "Theater der Welt 2010".
Das Symposium stand im Kontext der Internationalen Übersetzerwerkstatt, zu der Dramatikübersetzer aus 12 Ländern und 11 spanischsprachige Theaterübersetzer aus Lateinamerika eingeladen waren. Welche Erfahrungen haben die Übersetzer aus 19 Ländern in diesem Sprach- und Bildertransfer?


Die Referent:innen

Fernando Alonso
Abschluss der Schauspielschule im Jahr 2001, Besuch zahlreicher Regieworkshops, u.a. bei Omar Grasso, David Hammond und Aderbal Junior. Seine Theaterlaufbahn begann 1994 mit der Theatergruppe „El Picadero“. Arbeit als Schauspieler, Autor und Regisseur. Alonso hat u.a. bei seinen eigenen Stücken Subcutáneo (2005) und Dense prisa, vamos a cerrar (2006) im Theater „La Candela“ Regie geführt. Seine letzte Inszenierung, Klaras Verhältnisse von Dea Loher, ist zum Theaterfestival „Porto Alegre em cena“ eingeladen. Alonso ist Mitglied im Vorstand der uruguayischen Föderation Unabhängiger Theater.

Dr. Dorothée Bauerle-Willert (1951, Berlin)
Studium der Germanistik, Kunstwissenschaft und Philosophie in Tübingen, Marburg und London (Warburg Institute). 1980 Promotion, danach wissenschaftliche Assistentin an der Kunsthalle Baden-Baden. Von 1983 bis 1990 stellvertretende Direktorin und Leiterin der Abteilung Kunst des 20. Jahrhunderts am Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Ulm. Seit 1990 lebte und arbeitete sie in Paraguay, Montevideo, Tallin, Skopje und Belgrad als Dozentin für Kunstgeschichte und deutsche Literaturwissenschaft an Hochschulen und Kunstakademien.

Jürgen Berger (Heidelberg)
Studium der Germanistik und Politologie in Heidelberg. Freier Theater- und Literaturkritiker für die Süddeutsche Zeitung, Berliner Tageszeitung und Theater heute. 2003 bis 2007 Mitglied im Auswahlgremium des Mülheimer Dramatikerpreises. Seit 2007 Jurymitglied des Berliner Theatertreffens und Juror des Else Lasker-Schüler-Stückepreises.

Sérgio Ricardo de Carvalho Santos (1967, São Paulo)
Regisseur, Autor und Theaterkritiker und Mitgründer der Companhia do Latão in São Paulo. Nach seiner Ausbildung in Journalistik und einem Master in Kommunikationswissenschaften und Kunst an der Universität von São Paulo, ECA/USP arbeitete er zunächst als Dramaturg mit Antônio Araújo und dem Teatro da Vertigem. 1996 gründete er die Companhia do Latão, deren erste Produktion Ensaio para Danton auf dem Text von Georg Büchner basiert. Danach erfolgt eine intensive Auseinandersetzung mit dem epischen Theater und Bertolt Brecht. In 1998 inszeniert er Die Heilige Johanna der Schlachthöfe. Im selben Jahr entsteht O Nome do Sujeito über das Werk von Gilberto Freyre. In A Comédia do Trabalho (2000) geht es um Arbeitslosigkeit und die Produktionsverhältnisse. Das koloniale Brasilien ist Thema von Auto dos Bons Tratos (2002). Carvalho ist Dozent für Theatertheorie und dramatische Literatur am Fachbereich Theaterwissenschaften der Universität von São Paulo.
www.companhiadolatao.com.br

Angie Hiesl (1954, Köln)
In Venezuela, Peru und Deutschland aufgewachsen, lebt seit 1975 in Köln. Regisseurin, Choreographin, Performance- und Visual-Art Künstlerin. Seit Anfang der 1980er Jahre präsentiert die mehrfache Theater- und Kunstpreisträgerin ihre Arbeiten auf zahlreichen nationalen und internationalen Gastspielen u.a. in Peru, Brasilien, Spanien, China. Angie Hiesl gehört zu den ersten ChoreografInnen in Deutschland, die ausschließlich ortsbezogene (site-specific) Choreografien entwickelt hat. Weitere Spezifika ihrer Arbeit sind Interdisziplinarität, Projekt-Realisationen in Form von temporären Interventionen und performativen Installationen im öffentlichen Raum und an kunstfremden Orten. Dazu kommt die themenbezogene Auswahl von AkteurInnen aus unterschiedlichen Berufsfeldern. Langjährige Zusammenarbeit mit Roland Kaiser - gemeinsame Projekte u.a. 2008 china-hairconnection peking köln | 2007: MAKADAM, interdisziplinäres Performance-Projekt | 2006: ... und HAAR und HAAR und HAAR und ..., eine Produktion des Schauspiel Köln in Zusammenarbeit mit Angie Hiesl Produktion | 2003: Familie und Zuhause - Ein Besuchs-Projekt in mehreren Teilen | 2001: ZWILLINGE - how do I know I am me ... (IMPULSE Festival) | 1997,1999, 2000: KACHELHAUT 1 - 4.
www.angiehiesl.de

Manuela Infante (1980, Santiago de Chile)
Als Autorin und Regisseurin bereits eine feste Größe im chilenischen Theater. Nach ihrer Schauspielausbildung an der Universidad de Chile beginnt sie Theaterstücke zu schreiben. Sie gründet die Gruppe Teatro de Chile, mit der sie ihre Stücke inszeniert. Mit Prat (2002) gewinnt sie den FONDART Award. In 2004 schreibt und inszeniert sie Juana als Variation der „Jungfrau von Orleans“. Für Narciso (2005) erhält sie den Altazor, den wichtigsten chilenischen Theaterpreis. Von 2005 bis 2007 macht sie einen Master in Cultural Analysis Research an der Universität Amsterdam. Dort entwickelt sie als Work in progress ihr neuestes Stück „Cristo“, das sich mit den Grenzen der Repräsentation beschäftigt. „Cristo“ ist zum diesjährigen Festival dei Due Mondi nach Spoleto, Italien eingeladen.
www.teatrodechile.cl

Prof. Dr. Hans-Thies Lehmann (Frankfurt a.M.)
Studium der Germanistik und Philosophie. Nach der Promotion Hochschulassistent am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Universität Gießen, Mitarbeit am Aufbau dieses praxisbezogenen Studiengangs zusammen mit Prof. Andrzej Wirth. Seit 1988 Universitätsprofessor für Theaterwissenschaft an Universität Frankfurt / Main. 2002 gründete er hier den Aufbaustudiengang Dramaturgie. Zu seinen wissenschaftlichen und dramaturgischen Aktivitäten gehören u.a. Dramaturgien für die Regisseure Jossi Wieler, Peter Palitzsch, Christof Nel, Theodoros Terzopoulos und eigene szenische Projekte, die Mitgliedschaft im Editorial Board der Zeitschrift 'Performance Research', die Gründung und Ko-Direktion der "Frankfurter Internationalen Sommerakademie" sowie die Tätigkeit als Sprecher des von der DFG geförderten Graduiertenkollegs "Zeiterfahrung und ästhetische Wahrnehmung" in Frankfurt / Main.

Armin Petras (1962, Berlin)
1969 mit seinen Eltern in die DDR übergesiedelt. 1985-1987 Regie-Studium Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. 1987 inszeniert er in Nordhausen „Wolokolamsker Chaussee 1-3“ von Heiner Müller. 1988 Ausreise in die BRD. Inszenierungen: Münchner Kammerspiele, TAT Frankfurt/M., Kleist-Theater Frankfurt/Oder, Chemnitz, Magdeburg, Leipzig, Mannheim, Rostock, Berliner Ensemble, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Schauspiel Hannover, Münchner Residenztheater und Thalia Theater. 1996-1999 Oberspielleiter in Nordhausen, 1999-2001 Schauspieldirektor Staatstheater Kassel, danach Hausregisseur am Frankfurter Schauspiel. Seit 2006 Intendant des Maxim Gorki Theaters Berlin. Für sein Stück „zeit zu lieben zeit zu sterben“ erhielt Fritz Kater 2003 den Mülheimer Dramatikerpreis.

Prof. Dr. Kati Röttger (1958, Utrecht, NL)
Seit 2007 Professorin für Theaterwissenschaften an der Universität Amsterdam. Studium der Theaterwissenschaften, Germanistik und Philosophie an der Freien Universität Berlin. 1991 Promotion über “Kollektives Theater als Spiegel lateinamerikanischer Identität: La Candelaria und das neue kolumbianische Theater”. 1995-1998 Postgraduiertenkolleg an der Universität München mit einem Projekt zu Gender im lateinamerikanischen post-kolonialen Theater. 1998-2004 Habilitation über “Theater als Medium des Sehens” an der Universität Mainz. Lehre an der FU Berlin, Universität München, Universität Mainz und Universität Amsterdam. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Theater als Medium des Sehens, Politik des Bildes, postkoloniales Theater und Theatergeschichte. Aktuelles Forschungsprojekt zu Transatlantic Image Streams. Towards a new Politics of the Image between Global Icons and Iconoclash: Intermedial and Intercultural Perspectives. Kati Röttger ist Gründungsmitglied der “Theater und Mediengesellschaft Lateinamerika e.V.” und seit 2004 Vorsitzende des Vereins.

Rafael Spregelburd (1970, Buenos Aires)
Nach seiner Schauspielausbildung beginnt Spregelburd bald eigene Stücke zu schreiben. Ab 1995 widmet er sich auch der Regie und Inszenierung eigener Texte und Adaption von Texten anderer Autoren. Sein Studium an der Fakultät für Philosophie und Literatur bricht er 1996 ab, um sich ganz dem Theater zu widmen. 1998 nimmt er an der International Summer Residency am Royal Court Theatre in London teil. 2000 ist er Hausautor des Hamburger Schauspielhauses, 2002 Gastautor der Schaubühne Berlin und 2005 Stipendiat der Akademie Solitude in Stuttgart. 2005 erhält er mit dem Premio Tirso de Molina den wichtigsten Dramatikerpreis der spanischsprachigen Welt. Auch in Argentinien erhält er zahlreiche Preise für seine Stücke und Inszenierungen. In Deutschland ist Spregelburd derzeit der meistinszenierte zeitgenössische lateinamerikanische Autor.
www.spregelburd.com.ar


Konzept und Texte: Uta Atzpodien, Almuth Fricke, Kati Röttger
Projektmanagement: Uta Atzpodien

Das Symposium fand im Theater an der Ruhr statt.


Den Flyer zum Symposium können Sie als PDF (220 KB) herunterladen.
 


In Zusammenarbeit mit der Theater- und Mediengesellschaft Lateinamerika e.V.