Unser RöntgenBLICK auf...

JENS RASCHKE

In 5 Sätzen – wie ist es passiert, dass du Theaterstücke schreibst?

In erster Linie war es wirklich eine pragmatische Geschichte. Ohne, dass das jetzt blöd klingen soll: Als ich die Möglichkeit hatte, Regie zu führen, merkte ich irgendwann, dass es die Stücke, die ich machen will, gar nicht gibt. Was aber damit zusammenhing, dass ich an einem Theater arbeiten konnte, wo ich ein Ensemble hatte und eigentlich auch immer Stücke machen wollte, die zu denen passen. Ich hab das am Anfang nicht als getrennte Stationen gesehen: Ich schreibe ein Stück und dann wird Regie geführt. Sondern es war eigentlich immer ein Arbeitsgang - und so bin ich eigentlich dazu gekommen.
Aber mittlerweile ist es ja auch schön, dass ich die Stücke, die ich schreibe, nicht selber inszeniere. Deswegen bin ich wahrscheinlich auch dabei geblieben, weil ich dann irgendwann merkte, dass das andere auch interessiert.Und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich dabei geblieben bin, weil ich dann doch schon merke, dass es sehr befreiend ist, beim Schreiben nicht gleich wieder mitzudenken: Wie werde ich das denn auf die Bühne kriegen?
Wie viele Sätze waren das jetzt?

 

Wo schreibst du am liebsten?

Am liebsten dort, wo ich am wenigsten abgelenkt werde, aber den Platz habe ich bis jetzt noch nicht gefunden. Also ich kann nicht sagen: Ich schreibe am liebsten Zuhause. Ich lenke mich selber sehr gerne ab. Ich habe bis jetzt noch nicht rausgekriegt, wie das ist, sich zwölf Stunden am Tag irgendwo einzusperren und zu sagen: Ich schreibe jetzt das Stück. Da bin ich auch wahrscheinlich einfach nicht der Typ für, weil ich auch den Prozess anders begreife. Ich bin nicht in der Situation, wo zehn Theater auf ein Stück von mir warten und ich mir sage: Schreib, schreib, schreib! Sondern ich lasse mir schon Zeit. Ich lasse mir auch immer mehr Zeit, habe ich festgestellt. Um es positiv zu sagen: Ich arbeite, glaube ich, mittlerweile gewissenhafter. Früher hab ich das so raus gehauen, weil ich halt wusste: Während der Proben kann man da selber dran rumarbeiten. Das ist jetzt nicht mehr so.

Ich schreibe gerade an einem neuen Stück und habe festgestellt, dass ich auf der Fahrt sehr gut schreiben konnte. Richtig klassisch von Hand, mit einem Kugelschreiber. Woran es liegt, weiß ich nicht, aber wie gesagt: Ich bin jetzt nicht das Klischee von dem Künstler, der im Elfenbeinturm sitzt und keinen Kontakt zur Außenwelt hat.

 

Was schießt dir durch den Kopf, wenn du deine Stücke auf der Bühne siehst?

Komischerweise habe ich eigentlich immer positive Geschichten. Das ist dann meistens das Ding: Ach so kann man das auch sehen. Man schreibt ja Sachen und oft man dann doch eine Betonung im Kopf. Wenn man dann sieht, dass ein Schauspieler, Schauspielerin oder ein Regisseur was anderes in einer Figur sieht, dann finde ich das sehr schön, auch bereichernd. Ich saß noch nie irgendwo drin und hab gedacht: Oh Gott, was ist das denn? Eigentlich positiv, weil die dann doch immer Aspekte finden. Das finde ich auch wichtig am Theater - sonst würde man ja immer dasselbe Stück sehen, dieselbe Inszenierung -, dass man halt immer wieder was Neues entdeckt, auch in seinen eigenen Sachen.

 

Gehst du immer nach dem gleichen System oder Prinzip vor, wenn du schreibst?

Es ist oft tatsächlich ein Bild. Bei dem Nashorn-Stück war es ein Schwarz-Weiß-Foto von der Ruine des Bärengeheges in Buchenwald. Also es interessiert mich erst einmal – ich habe jetzt nicht gleich gesagt: Ich schreibe darüber ein Kinderstück! Ich bin eigentlich auch zunächst davon ausgegangen, dass es darüber schon eine Menge gibt und es gab halt gar nichts. Es ist eigentlich bei allen Stücken so, dass ich mich erst einmal zuballere mit Infos. Ich lese viel darüber, gucke Filme, rede mit Leuten, und auch wenn von diesen Sachen dann sehr wenig direkt einfließt, ist es für mich sehr wichtig, weil ich irgendwann merke: Es geht los. Bei dem Nashorn war es so: Ich habe ein halbes Jahr dran rumgesessen, ich glaube, ich habe die größte Buchenwald-Bibliothek. Auch wenn ich wusste, dass ich kein Stück über Buchenwald schreiben wollte, war es mir wichtig, so viel darüber zu wissen. Ich dachte erst „Das wird jetzt nichts mehr“, weil ich dann zwanzig verschiedene Anfänge hatte, die alle ganz gut waren, aber ich konnte nirgends richtig weitermachen. Dann hatte ich die Zeit nach Buchenwald zu fahren und da war ich zwei Tage oben auf dem Berg. Wenn man das sieht, kommen einem auch Bilder. Also wenn man wirklich in dieser Umgebung ist. Ohne dass es dezidiert Buchenwald sein muss, aber ich glaube für die Stimmung, die dieses Stück haben muss. Dieses Gefängnis mit dem Zoo, wie eine kleine Stadt, die aber nicht funktioniert wie eine richtige Stadt. Das war dann schon sehr hilfreich. Dann kam ich zurück und es ging relativ flott.

 

Wie schaffst du es, für Kinder tabuisierte Themen (wie z.B. Tod und das Dritte Reich) so in deinen Stücke zu verpacken?

Ich schreibe über Sachen, die mich auch interessieren, oder wo ich selber auch Fragen habe. Ich meine „Tod“: Wer sagt da nicht, er hätte nicht noch ne Frage. Generell muss man ja sagen: Kinder haben keine Tabus. Tabuisiert wird ja immer durch die Eltern. Bei „Schlafen Fische?“ war das ganz klar zu sehen, auch von anderen Theatern. Die Kinder können damit was anfangen und die, die Angst haben, sind die Eltern und die Lehrer. Die Lehrer haben Angst, dass die Eltern schimpfen „Oh Gott, sie haben meinem Kind ein Stück gezeigt, da stirbt der kleine Bruder, das geht überhaupt nicht“. So ist es halt, aber ich glaube, darunter leiden andere Autoren auch ein bisschen. Ich sehe mich jetzt nicht als einer der sagt: So, was könnte man denn jetzt noch für ein krasses Thema machen?

In den Jahren, die ich auch beim Kindertheater war, habe ich gemerkt, dass es - aber das weiß man auch von sich selbst - eine Phase im Leben gibt, wo man diesen Sprung macht, neugierig ist. Das ist vor der Pubertät. In der Pubertät geht es ja nur noch um einen selbst, was passiert mit mir? Das ist auch eine interessante Frage, aber dieses in die Welt gucken: Wie ist denn das? Wie geht das? Seine Eltern total nerven mit den Fragen. Das ist das Publikum, das ich am tollsten finde. Die sind noch nicht abgeklärt, sondern stellen die richtigen Fragen, reagieren nicht so, wie wir reagieren, sondern sind total offen. Für alles. Auch für das nicht so Gute.

Die Frage kommt ja schon immer: Sind zehnjährige Kinder nicht zu jung dafür? Ich denke nicht. Man kann nicht früh genug anfangen. Man muss halt nur wissen, wie. Ich glaube das bringt nichts, die Kinder mit geschichtlichen Fakten vollzupumpen, aber es geht darum, zu suchen, wo ich mich als heutiges Kind darin wiederfinde, in diesem Weggucken. Wie verhalte ich mich?