Unser NachBLICK auf...

WAS DAS NASHORN SAH, ALS ES AUF DIE ANDERE SEITE DES ZAUNS SCHAUTE von Jens Raschke

Ramin Anarakis Inszenierung von WAS DAS NASHORN SAH, ALS ES AUF DIE ANDERE SEITE DES ZAUNS SCHAUTE wurde im Rahmen der KinderStücke 2016 am Freitag, den 13. Mai im Theater an der Ruhr unter anderem von Schulklassen der Jahrgänge 4-7 gut besucht.

Das Stück von Jens Raschke behandelt die Auseinandersetzung der Tiere im Zoologischen Garten Buchenwald mit dem, was auf der anderen Seite des Zauns mit den "Gestreiften" im Konzentrationslager geschieht.
Es ist der Blick auf die andere Seite des Zaunes, ein Hin- oder auch ein Wegschauen.

Im Gegensatz zur Stückvorlage sehen wir auf der Bühne drei statt vier Schauspielende. Ein Ensemble, das mit großer Spielfreude und Leichtigkeit zwischen zahlreichen Rollen hin und her wechselt.
Als Erzähler*innen schildern sie dem Publikum die Geschichte des Zoos und seiner Bewohner*innen - bildhaft kommentiert oder mit dem Mittel der Mauerschau (Bericht von einem Vorgang, den man gerade zu sehen behauptet).
Die Darstellung der Tiere erfolgt meist durch ein Kostümteil und ein Requisit, durch sehr deutliche Stimmenarbeit und durch Körperhaltungen, die den Tieren nachempfunden sind. Zur Freude des jungen Publikums, das sich sichtlich am slapstick-ähnlichen, fast überzeichneten Spiel amüsierte.

Beim Lesen des Stücks waren wir der Meinung, dass die Tragik des Holocausts nicht ausgespielt werden sollte, sondern - mit dem Bewusstsein der grausamen Zustände im KZ - als Kontrast zu der Komik durch die Beiläufigkeit und Leichtigkeit der Tiere von selbst entstehen könnte. Das war in der Inszenierung nicht der Fall; die tragischen Momente haben viel Raum bekommen, wodurch auch jüngere Zuschauer*innen sich hineinfühlen konnten. Was auch gelang. Jedoch dem Text oftmals die kunstvollen Leichtigkeit nahm und - zumindest uns "ältere" Zuschauende - mit Schwere zurück ließ.
Im Nachgespräch wird dann klar: trotz vieler Lacher, bleiben auch beim "jungen" Publikum in erster Linie die dramatischen Momente in Erinnerung.

Zeitweise schwand jedoch die Aufmerksamkeit des Publikums. Ein Grund dafür findet sich wohlmöglich in dem Kommentar einer jüngeren Schülerin zu ihrer Freundin während der Vorstellung:
"Ich verstehe die Geschichte nicht.".
Unsere Sorge bezüglich der Altersangabe des Autors (9+) war somit nicht unberechtigt. Neben den Rollen- und Perspektivwechseln muss es gerade dann schwer sein, die Zusammenhänge zu verstehen, wenn die Hintergründe des Holocaust noch unbekannt sind.
Was nicht heißt, dass der Stoff zu schwierig für Kinder unter 13 Jahren ist, sondern nur, dass es einer Inhaltlichen Vorbereitung bedarf.

Unsere Erwartung, dass in der Inszenierung auch ein Übertrag in unsere aktuelle Lage in Europa stattfindet, scheint im Nachhinein etwas zu viel verlangt. Der Text lässt diese Möglichkeit durchaus zu - die Umsetzung dessen wäre dann hingegen auf ein älteres Publikum ausgerichtet. Immerhin betonte der Autor im Nachgespräch zwischen dem Publikum und dem Produktionsteam, dass es auch heute besonders wichtig sei, nicht wegzuschauen und Stellung zu beziehen, wenn Unrecht passiert.

Ein Thema, das wohl (leider) immer aktuell war, ist und sein wird.