Stücke 2017
Männer bringen’s nicht, soviel steht fest. Aber was ist die Alternative? Anne Leppers störrische Protagonistin namens Baby hat die Schnauze voll vom Patriarchat. Und von dessen Repräsentanten. Und von der rape culture. Und vom Reproduktionszwang. „Ich bin mündig, obwohl ich dazu eigentlich nicht erzogen wurde“, eröffnet die junge Frau ihrem Freund sowie ihrem Zweitlover, „ab jetzt mache ich was ich will und ich will mit einer Puppe als Mann nach Italien.“ Bäm! Nimm dies, gesellschaftlicher Normierungszwang! Die Männer reagieren panisch, fürchten um den Fortbestand der Spezies und beschließen, sich, als Puppen verkleidet, wieder in Babys Leben einzuschleusen. Weil aber Beziehungsdramen nie isoliert vom System ablaufen, geistert zudem die „Gesellschaft der Freunde des Verbrechens“ durch Leppers komisch düstere Kunstwelt, ein völlig verpeiltes, rassistisches, mörderisches Kollektiv auf der Suche nach dem nächsten Sündenbock.
In der Regie von Dominic Friedel am Nationaltheater Mannheim besteht die Menschheit selbst aus schlacksigen Marionetten an unsichtbaren Fäden. Menschliche Züge zeigen allein die dienstbereiten Puppen. Lepper, bereits 2012 mit Käthe Hermann in Mülheim dabei, gelingt eine bittere, hochaktuelle Diagnose unsere Gesellschaft, die mit Normabweichungen weit schlechter klar kommt, als sie vorgibt: Bilderstark, skurril verzerrt und sprachlich genial reduziert wie im Comic.
Cornelia Fiedler
Mit: Julius Forster, Michael Fuchs, Sabine Fürst, Anne-Marie Lux, Hannah Müller
Regie: Dominic Friedel
Bühne/Kostüme: Peter Schickart
Dramaturgie: Stefanie Gottfried