Die Weltbühne


Kolumne

Stellen Sie sich ein beliebiges Café vor. Lassen Sie uns sagen, es ist ein windiger Sommertag. Vereinzelte Wolken tränken das Firmament in blasses Blau. Frühe Abendstimmung.

Sagen wir, wir warten auf der Terrasse des Cafés auf einen Freund. Utopische Umstände wollen es, dass wir kein elektronisches Gerät bei uns tragen. Keine Zeitung, keinen Roman, keine Lektüre. Unsere Nägel und Fußspitzen kennen wir innerhalb von Minuten in- und auswendig, alle Falten in unserer Kleidung sind glatt gestrichen. Was bleibt zu tun?

Es bleibt das geschäftige Treiben, das übereilte Hetzen, das faule Bummeln der Anderen. Da ist zuerst der Kellner, der leichtfüßig von Tisch zu Tisch hüpft und uns gekonnt mit gespielter Freundlichkeit glauben lässt, er interessiere sich für unsere Bedürfnisse. Er bedient ein junges Paar, das sich in konsequentes Schweigen hüllt. Um sie herum bleibt die Zeit auf der Stelle stehen. Neben den beiden eine Mutter mit Kleinkind. Der Junge lässt auffällig unauffällig und mit verschmitztem Blick ein paar Kaffeekekse in seiner Hosentasche verschwinden. Im Schatten sitzt eine alte Dame, die mit gespitzten Fingern eine Vogue-Zigarette hält. Sie pustet den Rauch mit einer extravaganten Geste aus ihrem Mund, das Kinn hoch gen Himmel gestreckt.

Unser Blick wird von der Cafébevölkerung losgelöst, als ein schmächtiger Herr in zerschlissener Hose gegen die Straßenlaterne pinkelt. „Was glotzt ihr so?“. Das schamlose Licht der Abendsonne lässt seinen Urin auffunkeln. Es zieht die Nase eines aufgeregten Hundes an, der gegen den Willen seines Herrchens zur Straßenlaterne prescht um seine eigene Duftmarke zu hinterlassen. Einige Meter weiter treffen zwei Gruppen von Pubertierenden aufeinander. Verlegenes Grinsen und schüchterne Wangenküsschen spiegeln die Künstlichkeit von sozialen Codes wieder. Unter ihnen befinden sich zwei Asiatinnen im Zwillingslook. Sie halten sich gegenseitig einen Handspiegel vors Gesicht um einem Schönheitsritual nachzukommen.

Hört hört, liebe Freunde, die Darsteller sind jetzt wir.

Ein gleißender Sonnenstrahl blendet unsere Sicht. Im nächsten Augenblick erscheint unsere Verabredung und das Gewimmel der Weltbühne wird unterbrochen.