24. Mai 2016 •
Gut gelaunt erscheint Schlagzeugerin Katharina Ernst an diesem verregneten Montagmorgen im Eiscafé Venezia. Und verrät nach einem Blick in die Getränkekarte, dass sie heute Geburtstag hat. Kurzerhand bestellen wir also zur Feier des Tages erstmal einen Sekt und kommen freundschaftlich ins Gespräch.
Eigentlich kommt die 29-jährige Wienerin aus der bildenden Kunst. Sie hat Malerei studiert und arbeitet unter anderem seit 2009 mit einer französischen Straßenkompanie zusammen, in deren Shows sie live malt.
Zum Glück hat sie trotzdem oft und gerne Kontakt mit „Indoor-Theater“. Durch eine zufällige Bekanntschaft mit Carina Riedl, Regisseurin der Wiener Inszenierung von Ferdinand Schmalz‘ „dosenfleisch“, kommt es zu einer Zusammenarbeit der Musikerin mit dem Burgtheater.
„Teilweise spontan, teilweise durch mühsame Prozesse und durch immer wieder neues Ausprobieren“ strukturiert Katharina Ernst gemeinsam mit dem Komponisten Arthur Fussy den musikalischen Rhythmus der Inszenierung. Während einige Passagen, wie die Begleitung des „fernfahrer“-Monologs, klar in einer Partitur niedergeschrieben sind, improvisiert die Schlagzeugerin an anderen Stellen an jedem Theaterabend aufs Neue.
„Für die Soli ist lediglich eine Richtung abgesprochen: Und die muss aggressiv sein. Ein Frontalangriff sozusagen“, berichtet die Schlagzeugerin schmunzelnd.
Musikerin oder Schauspielerin? Oder beides?
Von Anfang an habe sie sich in das Ensemble integriert gefühlt. Auf der Bühne seien keine beruflichen Unterschiede gemacht worden. Weder ihre Rolle, noch die der Schauspieler sei hervorgehoben worden. Eine solche Differenzierung wollte wohl auch Ferdinand Schmalz vermeiden, der die Figurenauflistung seines Werkes um den Zusatz:
„/ ein schlag
// zwei schlag
/// drei schlag“
erweiterte und so indirekt eine zusätzliche, wenn auch körperlose Figur einfügte. Als eben diese körperlose Figur, die die einzelnen Szenen musikalisch begleitet und verbindet, beschreibt Katharina Ernst ihre Rolle auf der Bühne. „Das Wichtigste an dieser Inszenierung ist wohl, den Sprachrhythmus mit dem musikalischen Rhythmus auf Augenhöhe zu bringen.“ Und das gelingt eben nur, wenn alle Agierenden zusammenarbeiten und aufeinander reagieren.
Meine Frage nach ihrem Alltagsleben scheint Katharina Ernst zu amüsieren. „Ich bin gerade erst nach Berlin gezogen und muss meinen Alltag erst erfinden“, meint sie, und fügt hinzu, dass die Idee eines speziellen Tagesrhythmus für sie aus musikalischer Sicht eigentlich sehr interessant ist. „Mein Tagesrhythmus, wenn er denn existiert, ist sehr kompliziert. Ein Tagesrhythmus für Fortgeschrittene sozusagen.“ Das liege vor allem daran, dass die Wienerin in vielen unterschiedlichen Projekten involviert sei.
Theater als Fels in der Brandung
Die Arbeit am Theater sei da wie ein Fels in der Brandung mit klarer Struktur und festgesetzten Terminen. So einen großen taktgebenden Apparat gebe es bei vielen anderen Projekten nicht. Werde ihre fünfköpfige Band „Ventil“ für einen Auftritt gebucht, heiße es am Tag davor „Treffen und Proben“. Sollte sich dann etwas Größeres entwickeln, werde eventuell die folgende Woche geblockt und zum Verwirklichen der Idee genutzt.
Am härtesten zu realisieren seien jedoch Soloprojekte. Seit längerer Zeit plane Katharina Ernst eine eigene Platte. Den Termin habe sie jedoch schon dreimal nach hinten verschoben. Es wird deutlich, wie viel ihr an ihrer persönlichen Arbeit liegt und wie wichtig es für sie ist, perfekt vorbereitet zu sein.
Auch frei improvisierte Musik spiele in ihrem Schaffen eine sehr wichtige Rolle. Für Ernst ist diese Form der Musik eine Art und Weise, „sich spontan musikalisch mit einem Gegenüber zu unterhalten.“ Dabei sei jedwedes Klangmaterial – Geräusch, Lärm, Ton, Schlag oder eine klassische Note – zugelassen und könne sich zu jeglicher Art von Musik verformen und wieder deformieren. „Vor allem in unserer heutigen Musiklandschaft ist diese Art des Experimentierens sehr wichtig.“ Durch das Glätten und Verschönen der alltäglichen Musik, seien es viele Menschen nicht mehr gewohnt, echten Klang wahrzunehmen. „Wenn man heute nicht experimentiert, gibt es morgen nur noch Fußball“ schließt Katharina Ernst ihren Gedanken ab. Dabei komme es immer darauf an, mit Herzblut dabei zu sein. Auf der Bühne gelte immer für alle: „Was man im Kopf hat, ist das, was der Zuschauer hört.“
Wer Katharina Ernst spielen hört und auf der Bühne sieht, merkt, dass ihr Kopf erfüllt sein muss von Rhythmen und Liebe für das Spiel. Das war auch in der „dosenfleisch“-Inszenierung nicht anders.