+++ Die 50. Mülheimer Theatertage finden vom 10. – 31. Mai 2025 statt. +++

Ein Sturz, keine Überfälle


Kolumne

Samstag, 14.5. Man sollte meinen, ein Regionalexpress der Deutschen Bahn sei nicht unbedingt der privilegierteste Ort für eine tiefgründige Reflexion über das Heilige, und doch: Das Übernatürliche soll ja angeblich in den banalsten Alltäglichkeiten wohnen. Den „eisig“ genannten Heiligen gelingt es jedenfalls anstandslos, dem Reisefieber einen gut spürbaren Dämpfer ins Gesicht zu hauchen. Das macht den Regionalexpress mit all seinen sich auf jeder Fahrt wieder beeindruckend bestätigenden Negativattributen schon fast zu einem Hort der Gemütlichkeit, obgleich ein Eindruck sakraler Ergriffenheit sich letztlich nicht wirklich einzustellen vermag, auch nicht durch die diagonale Botschaft „Elvis lebt!“ in dunkelblauem Edding auf der Rückseite des Fenstersitzes zweite Reihe links.

Kultur in geschlossenen Räumen

Ein Sturz über Nacht wird das Pfingstzeltlager der in den Bahnhofsräumlichkeiten gesichteten St.-Georgs-Pfadfinderinnen zu einem zweifelsohne erfrischenden Vergnügen machen. Zum Glück kumuliert sich mitteleuropäische Kultur traditionell in geschlossenen Gebäuden; somit sollten sich nicht allzu viele erkältungsbedingte Fehlzeiten auf die Bilanz der Festivalbesucher:innenzahlen in der kommenden Woche niederschlagen. Wobei sofort die Spekulationsblase aufploppt, ob sich in Monumentalbauten wie der Mülheimer Stadthalle ähnliche Klimaphänomene abspielen wie in Altbaudachgeschosswohnungen. Dann könnte nämlich  selbst nach dem nun wahrgewordenen Ende des Sommers 2016 schneidbare Luft von Saunaqualität zu anderen körperlichen Symptomen führen und  der unbefangenen Theaterrezeption ein nun nicht mehr unbestrumpfhost das Haus verlassen könnendes Bein stellen.

Erwartung des Überfalls?

Am Ende der Regionalexpressreise wartet Sibylle Bergs Mütter-Töchter-Clash an den Ufern des systematisch regionalverbindenden Flusses. Ein Zugüberfall hat auf der Fahrt in den wilden Westen nicht stattgefunden (man ist da mittlerweile eher auf Ausfälle spezialisiert, die aber mindestens genauso viele Nerven kosten). Ob dieser Abend nun selber überfallartig wird, oder vielleicht übergriffig, oder überkandidelt, oder doch überfüllt, oder trotz vorgeguckter Blog-Kritik überraschend – dafür steigt ein gespanntes Erwarten in die prätheatrale Arena. Der kühle Wind hat es wieder geweckt.