Zur Eröffnung Sonne und Wolken


Kolumne

Samstag, 7.5. Die Sonne scheint über der Stadt. Dazwischen helles Blau und gleitende Wolkenfelder. Die Wolken sind dicht und scharf voneinander abgegrenzt, gemächlich schweben sie vorbei. Dabei bilden sie mit ihren weißen Kollegen mächtige Tableaus, temporäre Gemeinschaften, kurze Gruppenfotos, die sich schnell wieder auflösen, nur um weiterzuziehen zu aufregenderen Gruppierungen. Es ist fast so wie im Foyer der Stadthalle: Vom Rednerpult aus werden die 41. Mülheimer Theatertage offiziell eröffnet, während sich zwischen den Stehtischen kleinere Gruppen formieren. Man schaut sich um, nähert sich an, bleibt stehen. Mit den üblichen Gesten und Floskeln taucht man ab ins gesellschaftliche Gemenge: Großzügig werden Hände geschüttelt, Umarmungen getätigt, Küsschen verteilt. Dann geht es weiter zur nächsten Formation. Ein Gesellschaftsballett, eine Choreographie aus fragenden Blicken und bestätigendem Grinsen. Man kennt das hier. Man ist unter Bekannten. Ja, man kennt sich.

Nur ein älteres Pärchen leistet Widerstand. Sie fallen aus dem Sozialrahmen, denn scheinbar kennen sie niemanden und niemand kennt sie. Unsicher bahnen sie sich ihren Weg durch das Foyer und beobachten das Sozialtheater. Er, in blauem Jackett, streift die Menschen mit einem gutmütigen Lächeln, als wüsste er mehr als sie. Wenn ihn jemand bei seiner Beobachtertätigkeit ertappt, dreht er sich um und geht mit einem gewissen Stolz zu seiner Frau zurück. Sie, in roter Steppjacke, mustert mit kleinen ruhigen Augen die Umgebung, als könnte sie durch die Räume und die Anwesenden hindurchsehen. Während die ersten Menschen in den Theatersaal strömen, bleiben die beiden für einen Moment an der Tür stehen und lassen ihre Blicke über den Zuschauerraum wandern.

Sie: War’n die Stühle hier nicht mal aus Samt? Rotem Samt? 
Er: Nee, die war’n aus Stoff.
Sie: Ach, damals ist hier ja so wenig passiert.

Die Saaltüren schließen sich, draußen immer noch Sonne.