Stücke 2018
Gemessen an den neureichen schlesischen Kohlebauern von 1889 hat sich im mittelständischen Bereich bis heute viel bewegt. Für den Geschäftserfolg muss man im verschärften globalen Konkurrenzumfeld seine hochspezialisierte Nische finden und nach allen Regeln der Marktwirtschaft verteidigen. Von Gerhart Hauptmanns Vor Sonnenaufgang zu Ewald Palmetshofers neuer Überschreibung führt der Weg in den Mittelreichtum einer Unternehmerfamilie irgendwo in einer süddeutschen Agglomeration.
Was den Besucher und Journalisten Alfred Loth umtreibt, sind die unmerklichen Veränderungen in den letzten zwanzig Jahren: „Wie die Menschen auseinanderdriften“. Die Gräben werden tiefer zwischen jenen wie dem Jungunternehmer Thomas, die aus Elitenkritik und Leistungsträger-Lyrik erfolgreiche populistische Geschichten zimmern, und solchen wie Loth, die noch auf einem Staat bestehen, der Gemeinschaft und soziale Sicherheit garantiert.
Ewald Palmetshofer hat den oberen Mittelstand und seine Peripherie in eine Sprache gegossen, die dessen soziale Konstruktion kenntlich macht. So wie die Phraseologien des Alltags druckvoll aus den Mündern quellen, wird schnell klar, was Alltag hier ist: ein teilweise akrobatischer Balanceakt, noch nicht unbedingt absturzgefährdet, aber derart kraftraubend, dass er niemandem wirklich Spaß machen kann.
Franz Wille
Mit: Pia Händler, Steffen Höld, Myriam Schröder, Cathrin Störmer, Thiemo Strutzenberger, Michael Wächter, Simon Zagermann
Regie: Nora Schlocker
Bühne und Kostüme: Marie Roth
Musik: Marcel Blatti
Dramaturgie: Constanze Kargl