Magische Winterspiele
Es hat geschneit und das Grau von Winterstadt ist einem glitzernden Weiß gewichen. Winterkind und ihr Weggefährte Herr Jemineh – er ist so winzig, dass er in eine Manteltasche passt – haben Hunger. Doch das Frühstück lässt auf sich warten, was dem jammernden Herrn Jemineh, der seinem Namen alle Ehre macht, gar nicht gefällt. Vielleicht hat das Frühstück die Straßenbahn verpasst oder ist im Fahrstuhl hängengeblieben? Den beiden bleibt nichts anderes übrig als sich auf die Suche zu machen. Ihr Weg führt sie über einen verschneiten Park immer tiefer in die Stadt hinein. Winterkind ist dabei ordentlich damit beschäftigt, auf Herrn Jemineh aufzupassen. Dieser ist zwar ein gutherziger, aber auch ein aufbrausender Charakter und neigt dazu, sich selbst in Gefahr zu bringen. Den Sturz in einen Gully überlebt er nur deshalb glücklich, weil er von einer hilfsbereiten Ratte gerettet wird. Und das, obwohl Herr Jemineh ihre unterirdische Wohnung als Drecksloch bezeichnet hat. Die Ratte ist zuvorkommend. Der winzige Herr Jemineh laut und selbstbewusst. Winterkind hat zwar keine Eltern, kann aber sehr gut auf sich selbst und ihren Freund aufpassen. Sie ist gebildet, schlagfertig und mutig.
Marion Brasch bricht durch ihre liebevollen und feinsinnigen Charakterzeichnungen mit Stereotypen und regt dazu an, die Welt einmal anders und in ihrer Vielfalt zu betrachten. Der „Magische Zauberwürfel“, den Winterkind in einem Paket findet, ermöglicht dabei Zugang zu ungeahnten Möglichkeiten und neuen Erfahrungen. Durch die richtige Anordnung der Farben werden Fremdsprachen plötzlich verständlich und zuvor Unbekanntes greifbar.
Durch Sprache entsteht Welt, und dieser ureigenen Kraft des Sprechtheaters gibt Marion Brasch Raum, sich zu entfalten: Wortschöpfungen entstehen spielerisch, Phantasiesprachen werden gesprochen, Gefühle und Gegenstände bekommen ein Eigenleben. Diese poetische Abenteuerreise lädt dazu ein, die Phantasie spielen zu lassen. Ob wir das an Land oder auf hoher See tun wollen, darüber kann das Publikum am Schluss selbst entscheiden.
Dora Schneider