15. Mai 2023 •
„Eleonore hat es sich nicht ausgesucht, eine Katze zu sein.“ Diese Aussage von Autorin Caren Jeß bleibt besonders im Gedächtnis nach diesem Publikumsgespräch. Sie scheint die Erklärung, oder zumindest der Ursprung vieler Ideen des Stückes zu sein. Wieso die Katze kein 2300 Euro teures, schönes Katzenfell trägt, sondern einen hauchdünnen, transparenten Bodysuit? Auch diese Frage aus dem Publikum wird damit beantwortet: Die Katze Eleonore kann sich nicht mit einem Fell verkleiden, wie auf einem Karnevalsumzug, da sie sich nicht dazu entscheidet, eine Katze zu sein. Sie ist eine Katze. Zumindest ist das ihre eigene Wahrnehmung, auch wenn die restliche Welt, inklusive ihres eigenen Körpers, ihr das Gegenteil aufzwingen will.
Wie soll man eine Katze sein, wenn man reden kann, die Periode hat sowie Hände und Füße statt Tatzen? Und wieso überhaupt eine Katze, insbesondere eine Hauskatze? Während das Problem der Kommunikation durch die Grundhaltung gelöst werde, „alles noch ein letztes Mal zu sagen“, wie die Dramaturgin Katrin Schmitz erläutert, werden andere Antworten nur angedeutet. War es vielleicht das genaue Einfühlen in die Katze, was allen Umständen zum Trotz eine Transformation möglich macht?
„Sie haben Katzen oder lieben Katzen, ja?“, richtet eine Zuschauerin sich an Schauspielerin Karina Plachetka. Lachen im Publikum, Leichtigkeit erfüllt den Raum. Auch abseits des Stücks scheint das Einfühlen in die Katze eine Veränderung bei ihr ausgelöst zu haben: Plachetka fühle sich von ihrer Arbeit geprägt und nehme ihre Rolle als „stillen, politischen Protest“ wahr. Auch sonst beschreibt die Schauspielerin ihre Rolle als Gewinn und macht deutlich, dass eine positive und intensive Auseinandersetzung mit Weiblichkeit selten vorkomme, insbesondere mit der von Frauen über vierzig. Deshalb erklärt sie unverwandt, wie wenig der entblößende Bodysuit sie gestört habe: „Für mich ist es kein Problem, nackt zu sein, da es zur Rolle passt.“
Katrin Plachetka scheint sich sehr gut in die Katze Eleonore hineinfühlen zu können, aber nicht allen Menschen im Publikum geht es so. Die Katze hat durch den Beruf der Maklerin eine finanzielle Absicherung für sich geschaffen und muss sich deswegen nicht mit bürokratischen Hürden auseinandersetzen. Mit einer vermögenden Person, wie die Rolle der Eleonore im Stück, könne man sich nicht identifizieren, weil der Reichtum das Katzenleben einfach gemacht hätte, heißt es da. Katrin Schmitz setzt dem einen anderen Gedanken entgegen: Was ist einfach? Hat das Vermögen die Katze nicht erst zur Hauskatze gemacht? Halten die Möglichkeit und der Hang zur Bequemlichkeit von einem „wilderen“ Leben ab? Dieser Interpretation scheint auch Regisseur Simon Werdelis zuzustimmen: In seinen Augen handele das Stück von uns allen. Die Widersprüchlichkeit des Katzenlebens spiegele sich auch im alltäglichen Menschenleben wider. „Wir beuten die Natur aus, aber ernähren uns von Katzenfrass oder meinen viel zu kommunizieren, aber leben sehr abgeschieden voneinander“, erklärt Werdelis.
Dass sich ein auf den ersten Blick unpolitisches Stück bei genauem Hinsehen als Gesellschaftskritik entpuppen kann, ist in diesem Publikumsgespräch deutlich geworden. Doch was bleibt bei aller Widersprüchlichkeit am Ende vom Katzenleben übrig? Die „Katzenhaut“ wird abgestreift. Die Widersprüche zerreißen das Katzenkonzept. Schafft Eleonore es dennoch als Katze zu überleben? Wir wissen es nicht.