+++ Die 50. Mülheimer Theatertage finden vom 10. – 31. Mai 2025 statt. +++

Splatter im Streichelzoo


Diskurs

Wir starten am Streichel- und Kleintiergehege, wo direkt ein Hund gekillt wird, in Olga Bachs Text „Die Vernichtung“ nämlich. Ein süßer kleiner Hund, der zu dolle stinkt und nicht würdig ist zu leben, wird ZACK ertränkt. Gibt ja noch etliche weitere, wie wir von Tobias erfahren: „Ich kann uns noch so einen besorgen. Und wir tun so, als wär’s der von vorhin. Wir haben noch vier von denen zuhause.“

„Zuhause“ ist also ziemlich gefährlich, so auch im Fall der süßen kleinen Maus in Clemens J. Setz‘ Text „Vereinte Nationen“. Die ist zwar das lebendige Mädchen Martina, doch ebenso in einem Käfig eingesperrt, wie das bei Haustieren der Fall ist. Und das Elternhaus stellt sich ja oft als das größte Gefängnis heraus. Na jedenfalls ist die süße kleine Maus da gefangen, bei Vater Anton und Mutter Karin, wird für Dinge bestraft, die sie nicht getan hat, muss schlechte Sachen essen und wird zu allem Überfluss noch dabei gefilmt. Karin zu Anton: „Was dir da für Sätze eingefallen sind, ich meine, fuck, die arme Maus hat sich echt nicht mehr ausgekannt. Total verwirrte kleine Maus.“ Eltern sind halt einfach Schweine.

Doch bei den großen Tieren sind wir noch nicht, zunächst kommt noch die Katze. Die wird in „Mädchen in Not“ von Anne Lepper von Baby gerettet, das macht sie nämlich gerne, „ich rette immer eine katze wenn ich kann“. Sehr ehrwürdig, sich um die Tiere zu kümmern, obwohl es doch so viele Katzen gibt, die muss man eigentlich nicht unbedingt retten. Außerdem sind die mittlerweile eh schon hoffnungslos überzüchtet und werden oft ausgesetzt, wenn es sich ausgestreichelt hat. Aber das ist ein anderes Thema, wir gehen mal weiter im Zoo. Wo kommen wir vorbei? Welche Tiere sehen wir als Nächstes? Finden wir überhaupt noch weitere außer den überzüchteten Heimtierchen?

Zeus im Zoo

„Tiere sind generell vom Aussterben bedroht“ konstatiert Elfriede Jelinek in ihrem tobenden Text „Wut“. Mit ihr machen wir einen Abstecher ins Vogelgehege und es wird mythologisch. Wir sehen den einen bestimmten Adler, der den Prometheus quält. „Der Vogel kommt jeden Tag wieder, um sich an seiner Leber zu sättigen“, weil Prometheus den Menschen das Feuer brachte. Gegen den Willen von Göttervater Zeus! Schöne Scheiße, weil mit Feuer machen die Menschen ja nicht nur ihr Essen warm, sondern bomben gerne auch mal was in die Luft. Da hat der Schlawiner Zeus mal wieder recht gehabt mit der Bestrafung.

Doch mit Zeus ist das so eine Sache. Den finden wir sogar in einem eigenen Gehege im Zoo, bei den Stieren. Wieso denn das? Nun ja, Zeus, der Lustmolch, ist eigentlich mit Hera verheiratet und hat sich als Stier verkleidet, um die Europa zu vergewal-, äh zu verführen. Konstantin Küspert verarbeitet das in seinem Text „europa verteidigen“. Die arme Europa weiß natürlich nicht, wie ihr geschieht: „stier! das überrascht mich jetzt. du siehst so schön aus, stier, so friedlich. du strahlst große stärke und sicherheit aus. […] ich bin sicher, du wirst mir nicht schaden. du schönes, großes, blondes tier, wie gemeißelt siehst du aus. und wie der wind dein haar zerzaust!“

Kiosk und Aquarium

Auf den harten Tobak brauchen wir nun eine Verschnaufpause. Am besten im Zoo-Kiosk, der heißt „Empire“ und wird von Milo Rau betrieben. Doch sobald wir uns setzen, kommt ein gewisser Ramo Ali vorbei und beginnt zu erzählen, „wie mein Bruder Tiergeräusche nachgemacht hat, damit wir trotz Hunger einschlafen konnten“. Also nix da mit Pause, an Essen ist nicht mehr zu denken und die Laune ist nun vollends im Keller.

Vielleicht kann uns das Aquarium aufheitern. Auf zu den Fischen! Die sind leise und tun bestimmt nichts Böses. Gleich nach Betreten dieses dampfigen Ortes, werden wir jedoch Zeugen eines Gesprächs, das uns wieder rückwärts aus dem Aquarium stolpern lässt: „leon: und was, wenn ich einmal ins wasser stürz? hannes: dann fisch ich sie halt wieder raus. leon: von ihnen will ich mich nicht fischen lassen.“ Also wirklich, spaßig ist dieser Stückezoo tatsächlich nicht. Sehr ernst und pessimistisch und feindlich und aggressiv und Fische haben wir auch nicht gesehen. Wir machen uns auf den Weg Richtung Ausgang, das reicht jetzt mit dem Zoobesuch. Doch kreuzen wir den Kinderspielplatz. Vielleicht lohnt sich ein kurzer Blick.

Kinderspielplatz

Tatsächlich, dort geht es ziemlich bunt her. Da findet man Dickhäuter – Nashörner und grüne Nilpferde – direkt neben einer echten süßen kleinen Maus, die sogar ein bisschen zaubern kann. Dickhaut und Maus vertragen sich ja sonst nicht wirklich, doch im zoologischen Theater ist bekanntlich alles möglich. Deswegen schwirrt auch eine Biene umher, nicht nur im Kopf, sondern ganz nah an einem Goldhamster surrt sie vorbei, schneller als manch dicke Sternschnuppe. Überrascht ob dieser bunten Vielfalt, Freude und vor allem Freundlichkeit bewegen wir uns erheitert Richtung Ausgang und haben mal wieder was gelernt. Über Tiere, aber vor allem über Menschen.