25. Mai 2017 •
„WER WAR ES WER WAR ES VERGEWALTIGEN ERSCHIESSEN AUSWEISEN“ – Dieses Zitat aus Anne Leppers Stück „Mädchen in Not“ wabert abgewandelt und in verschiedensten Variationen seit einiger Zeit immer wieder durch die Straßen ganz Europas. So mancher wird in diesen gefährlichen Gedankenstrom hineingezogen, der ihn immer weiter vom europäischen Integrationsgedanken entfernt.
Für alles, was im heutigen Europa schief läuft, werden Verantwortliche gesucht. Da fällt es leicht seinen Frust an jemandem auszulassen, der irgendwie „anders“ ist als man selbst. Aber was bedeutet es schon „anders“ zu sein? Ist Europa nicht der Inbegriff von Andersartigkeit, Zusammenhalt und kultureller Vielfalt?
Hoffnung Europa
„Wer kann, lernt deutsch und geht nach Europa, um dort zu studieren und zu arbeiten. Meine Freunde sind fast alle fortgegangen oder sie sind tot", erzählt eine Figur in Milo Raus „Empire". Von außen betrachtet erstrahlt Europa noch immer in einem gewissen Glanz. Europa ist für viele Menschen die letzte Hoffnung. Sie kommen und suchen Zuflucht, weil es für sie keinen anderen Ausweg gibt.
Tagtäglich verändert sich die Welt ein wenig. Menschen kommen und gehen. Sprachen, Religionen und Traditionen treffen aufeinander. So ist das natürlich auch in Europa. Doch muss etwas Neues gleich etwas Negatives sein? Viele Europäer sind verunsichert. Für einige gerät das altbekannte Europa ins Wanken. Sie sind irritiert und wissen nicht, wie sie sich am besten positionieren und verhalten sollen. Elfriede Jelinek schreibt gerne deutliche Worte, so auch in „Wut“: „wo bleibt da noch Raum, selbst etwas zu tun, selbst groß zu werden, sich zu etablieren, eine Veränderung zum Beispiel in diesem Europa zu bewirken, das liegt gleich um die Ecke, das ist der Ort, wo jedem Flüchtling, also jedem, der entkommen und kommen konnte, die Tore des Landes versperrt werden, ja, sagt es ruhig laut: Wofür leben wir noch, die leben ja auch nicht?, wo sind die Freunde Europas?“ Damit spricht die Autorin so manchem Verzweifelten aus der Seele.
Zerrissene Gesellschaft
Im letzten Jahr setzte der britische Ausstieg aus der Europäischen Gemeinschaft ein deutliches Zeichen gegen den europäischen Zusammenhalt. Allerdings kam er nur durch ein sehr knappes Votum zustande und verdeutlicht damit die Zerrissenheit der Gesellschaft. Frankreich hat sich mit der Wahl Macrons für Europa ausgesprochen. Doch auch diese Entscheidung hinterlässt ein zwiegespaltenes Land.
Aber: „einsam und isoliert erreicht man nichts. (…) aus der masse all der unzufriedenen könnt sich heraus (...) eine ursprungszelle bilden“, stellt Ferdinand Schmalz in „der thermale widerstand“ fest. Es ist höchste Zeit den Bürgerinnen und Bürgern Europas deutlich zu vermitteln wie wichtig der Zusammenhalt, die Kooperation auf allen Ebenen und die Freundschaft der Völker untereinander ist. „Vereinte Nationen“ sollten jetzt oberste Priorität haben. Es muss deutlich werden, dass wir Europäer nur auf Grund unserer Gemeinschaft in Freiheit und Frieden leben. Um diesen Zustand beizubehalten müssen die Menschen sich wieder verstärkt mit der europäischen Idee identifizieren und als Bürgerinnen und Bürger Europas fühlen. Einige Initiativen kämpfen bereits konsequent für dieses Ziel. Zum Beispiel „Pulse of Europe“, eine Bürgerinitiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den europäischen Gedanken wieder sichtbar und hörbar zu machen.
Veränderung ist möglich
Denn der Zusammenhalt einzelner Individuen und Kulturen kann Großes bewirken. Wer auch immer man ist, wo auch immer man ist, man sollte stets versuchen einen Ort für diesen Zusammenhalt zu schaffen. Darum ist es jetzt an der Zeit „europa (zu) verteidigen“, meint nicht nur Konstantin Küspert. Wir sollten dankbar sein für jeden Einzelnen, der den Europagedanken in seiner ursprünglichen Intention versteht und lebt. Und wer unzufrieden ist, sollte mit Olga Bach aufstehen und etwas dagegen tun: „Wenn ihr die Regeln scheiße findet, dann arbeitet halt mit daran, sie zu verändern. Das ist ja der Witz an der ganzen Sache, dass wir die Regeln zusammen permanent verbessern können.“