19. Mai 2017 •
Ein kleiner Junge, der seine Mutter verloren hat. Eine etwas zu pummelig geratene Sternschnuppe. Ein vorlauter Plüschhamster, der nicht davor zurückschreckt, eine Entführung zu fingieren. In Julia Penners Kinderstück „Der dicke Sternschnuppe“ vermischt sich die Geschichte vom Verlust eines Elternteils und der damit verbundenen Trauer mit fantastischen Elementen. Dabei schafft es den Spagat, sich einerseits dem Thema ernsthaft zu nähern, andererseits dabei aber auch nicht an Komik zu sparen.
Ein kurioses Trio
Im Zentrum der Geschichte steht der achtjährige Rudy, dem beim nächtlichen Versuch, seine verstorbene Mutter per Sternschnuppenwunsch wieder zurückzugewinnen, gleich zweierlei Kurioses widerfährt. Im einen Moment beginnt plötzlich sein Kuscheltier namens Hamster zu sprechen. Im nächsten kracht unvermittelt eine sich erfolglos am Verglühen versuchende Sternschnuppe in die Runde, welche sich als Schnuppy vorstellt und das soeben zwischen Rudy und Hamster gebildete Zweiergespann zum Trio ergänzt. Auf einem verlassenen Spielplatz arbeiten die drei nun daran, Schnuppy fit für den nächsten Verglühflug zu machen, wobei sich Rudy davon die Einlösung seines Wunsches nach der Mutter verspricht. Gemeinsam erleben sie dabei kleine Abenteuer, lustige und nachdenkliche Momente sowie Situationen, in denen Streit, Zweifel und Eifersucht zu ernsten Belastungsproben ihrer Freundschaft werden. Am Ende steht zwar nicht die Erfüllung von Rudys Wunsch, dafür aber die Erkenntnis, dass es in Ordnung ist, traurig zu sein, und dass gemeinsames Traurigsein auch Trost spenden kann.
Spiel auf zwei Ebenen
Uraufgeführt am Theater Osnabrück im September des vergangenen Jahres, war die Inszenierung von Regisseur Philipp Moschitz nun in Mülheim zu sehen. Im reduziert gestalteten Bühnenraum (Elisabeth Benning, auch fürs Kostüm verantwortlich) entspinnt sich die Handlung genau wie im Stücktext auf zwei Ebenen, einer kindlichen und einer erwachsenen. Auf der einen Seite steht Rudy mit seinem ungewöhnlichen Plan, für den er unerwartete Unterstützung durch seine zwei fantastische Gefährten erhält. Auf der anderen der Vater, der seine Trauer zu kaschieren und eine normale Alltagswelt zu erhalten versucht. Ein grünes Kistengestell in der Mitte der Bühne wird dabei mal zur Wippe auf dem Spielplatz, den der ausgebüxte Rudy (Jost op den Winkel) für sich als Refugium auserkoren hat, mal zum Esstisch in Rudys Zuhause, wo sein Vater und seine Patentante am Morgen von Rudys Geburtstag nur sein leeres Bett vorfinden. Die Ortswechsel auf dieser stark abstrahierten Bühne werden neben strukturierenden Blacks vor allem durch die Figurenwechsel von Johanna Franka und Benjamin Werner verdeutlicht. Als Vater Martin und Patentante Carlotta sprechen sie über die Lücke, die der Tod von Rudys Mutter in die Familie gerissen hat. Mit Kappe, Brille sowie sternenbesetzter, dick gepolsteter Jacke verwandelt sich Franka sodann in Schnuppy. Werner dienen eine Hamsterhandpuppe sowie farblich dazu abgestimmte Trainingshosen, um zu Rudys naseweisem Begleiter zu werden. Im Zentrum der Konstellationen steht Rudy mit seiner Trauer, es wird jedoch schnell klar, dass auch die anderen Figuren ihre Brüche haben. Rudys Vater, der über den eigenen Kummer die Aufmerksamkeit für seinen Sohn und dessen Sorgen zu verlieren droht. Schnuppy, der sich zu dick fühlt und von den anderen Sternen gehänselt wurde. Und auch der Hamster zeigt seine verletzliche Seite, wenn er in der Sternschnuppe eifersüchtig einen Konkurrenten um die Freundschaft zu Rudy ausmacht.
Kleine und große Albernheiten
Die fröhliche Spielweise des Duos um Rudy sorgt angesichts dieser ernsten Töne für Auflockerung und macht dabei weder vor kleinen noch großen Albernheiten Halt. So wird beispielsweise aus einem bedenklichen Sporttrend eine komische Situation, wenn der Hamster Schnuppy zum Abnehmen mit Frischhaltefolie umwickeln und dann zu treibenden Beats Seilchensprünge bis zum Umfallen machen lässt. Und auch der Plan des verärgerten Hamsters, sich vermittels einer vorgetäuschten Entführung Rudys von dessen Vater Geld zu erpressen, strotzt nur so vor Aberwitz. Letztlich schafft es die Inszenierung, das alberne Laute und das ernste Ruhige ins richtige Verhältnis zu setzen und beide Seiten für das junge Publikum erfahrbar zu machen. Dabei ist die Inszenierung auch eine Ode an die Illusion im Theater, an das Potential, durch zurückgefahrene, aber gezielt eingesetzte Mittel in Spielweise, Kostüm und Bühnenbild eine andere Wirklichkeit vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Und so gab es für die interessierten Kinder im anschließenden Publikumsgespräch viel zu staunen, als der ein oder andere Inszenierungstrick offengelegt und erklärt wurde.
Audio: Eine Umfrage von Marie-Luise Eberhardt und Alexander Viktorin.