Stücke 2013
Muttersprache Mameloschn ist eine Tautologie: Mameloschn ist das jiddische Wort für Muttersprache, und was eine Muttersprache ist, was sie aus einem macht, was überhaupt Identität ist und wie man sich die eigene definieren kann im Riesenkosmos der interkulturellen Möglichkeiten, das ist die Frage, die alle Stücke Marianna Salzmanns, von denen nicht weniger als fünf in dieser Spielzeit uraufgeführt wurden, durchzieht. Kein Wunder: Die 27-jährige wurde in Russland in eine jüdische Familie geboren und kam erst mit zehn Jahren nach Deutschland, wo sie die Sprache lernte, in der sie heute schreibt. Muttersprache Mameloschn ist die Familiengeschichte dreier Frauen, deren Leben und Selbstwahrnehmung von den Traumata der jüdischen Geschichte geprägt, gezeichnet und beflügelt sind. In Liebe, Genervtheit und Abgrenzung sind sie miteinander verbunden: Großmutter Lin, die das KZ überlebte und in der DDR überzeugte Kommunistin war, ihre Tochter Clara, die am orthodoxen Judentum so desinteressiert ist wie vom gescheiterten kommunistischen Experiment angeödet, und Enkelin Rahel, ein internationales Kind der Post-Holocaust-Generation, die in New York nach ihrer sexuellen Identität sucht und nach Wurzeln, für die vielleicht die Großmutter stehen könnte. Salzmann erzählt das in einer leichten, unsentimentalen Patchwork-Technik mit Zorn, Herz und Witz. Alle drei Frauen bekommen ihr Recht, dafür sorgen am Deutschen Theater Berlin auch die junge Regisseurin Brit Bartkowiak und ihre drei tollen Schauspielerinnen Gabriele Heinz, Anita Vulesica und Natalia Belitski.
Barbara Burckhardt
Mit:
Lin: Gabriele Heinz
Clara / Lins Tochter: Anita Vulesica
Rahel / Claras Tochter: Natalia Belitski
Regie: Brit Bartkowiak
Bühne: Nikolaus Frinke
Kostüme: Carolin Schogs
Musik: Thies Mynther
Dramaturgie: Ulrich Beck
Alle Videos von Max Büch und Alexander Viktorin