Stücke 2019
In Port St. Lucie, Florida, erschlägt der Teenager Tyler Hadley seine Mutter und seinen Vater mit einem Hammer und feiert anschließend im Elternhaus eine Party. Im türkischen Isparta erschießt die 26-jährige Nevin Yildirim ihren vielfachen Vergewaltiger und wirft seinen abgetrennten Kopf auf den Dorfplatz. Und vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht muss sich der Dinslakener Nils Donath dafür verantworten, als IS-Terrorist Menschen gequält und gefoltert zu haben.
Die junge Dramatikerin Enis Maci – Jahrgang 1993, Mülheim-Debütantin und auch als Verfasserin luzider Essays bekannt – verknüpft diese drei realen Begebenheiten in ihrem Stück Mitwisser zu einem globalen Drama über Schuld, Gewalt und das Verhältnis zwischen Mitwisser- und Mittäterschaft, das in Zeiten von world wide web und social media sicher noch einmal einen Komplexitätsschub erfahren hat. In einer anstrengungsfrei zeitgenössischen und dabei ureigenen Sprache, die die viel beschworenen Wahrnehmungsveränderungen durch das Internet eben nicht nur behauptet, sondern performativ tatsächlich ernst nimmt, gelangt Macis weltumspannende Gewalt-Kartografie mühelos vom antiken Chor- und Gegenchor-Modell zur tagesaktuellen WhatsApp-Gruppe oder von Nevin Yildirim zu Klytaimnestra und zurück – was Pedro Martins Beja in seiner Uraufführung am Wiener Schauspielhaus kongenial vielschichtig auf die Bühne bringt.
Christine Wahl
Entwickelt im Rahmen eines Autor:innen-Workshops am Schauspielhaus Wien.
Mit: Simon Bauer, Lili Epply, Steffen Link, Vassilissa Reznikoff, Sebastian Schindegger
Regie: Pedro Martins Beja
Bühne und Kostüme: Elisabeth Weiß
Musik: Markus Steinkellner
Dramaturgie: Tobias Schuster
Ton: Benjamin Bauer