Stücke ’07
Düsseldorfer Schauspielhaus / Hebbel am Ufer Berlin / Schauspielhaus Zürich / Schauspiel Frankfurt
Auf der Weltbühne hat Das Kapital mittlerweile fast ausgespielt – ganz im Gegensatz zu dem Ding, das es beschreibt. Vielmehr hat der Kapitalismus so gründlich gesiegt, dass Marx’ Hauptwerk heute nur noch als Bühnenstück für Interesse sorgt. Das Theaterkollektiv „Rimini Protokoll“ stellt die 1867 erschienene „Kritik der politischen Ökonomie“ in den Mittelpunkt ihrer Produktion Das Kapital. Gemäß der Arbeitsweise der drei Mitglieder Daniel Wetzel, Helgard Haug und Stefan Kaegi, die stets „Experten“ zu einem bestimmten Thema engagieren, um dann aus deren persönlichen Erfahrungen ein Stück zu komponieren, versammelt der Abend Fachleute zu dem Buch, das den Regisseur:innen des Sozialismus als Stoff für ihre dramatische Weltsicht diente. Der letzte Direktor des Instituts für Wirtschaftsgeschichte in der DDR, ein Gründungsmitglied des KBW, ein dissidenter Filmregisseur aus der ehemaligen UdSSR, aber auch ein blinder Schallplattenfreund, der das Buch in Blindenschrift gelesen hat, beschreiben die Wirkungsmacht des Werks in biografischen Splittern. Mal ironisch, mal nostalgisch, dann wieder absurd oder ernst zeugen die acht Lebensgeschichten in ihrer ausschnitthaften Kürze von der bewegenden Verbindung von Theorie und Praxis. Ob es sich bei der gemeinsam erarbeiteten Textvorlage um ein Drama im eigentlichen Sinne handelt, muss zur Diskussion gestellt werden. Eins aber ist offensichtlich: In diesem Fall verderben viele Köche nicht das Kapital.
Till Briegleb
Mit: Thomas Kuczynski, Ulf Mailänder, Talivaldis Margevics, Jochen Noth, Archibald Peeters, Christian Spremberg, Ralph Warnholz, Franziska Zwerg
Inszenierung: Helgard Haug & Daniel Wetzel
Bühne: Helgard Haug & Daniel Wetzel, Daniel T. Schulz
Video: Michael Koch / Rimini Protokoll