Stücke 2013
Lange hat es gedauert, aber mittlerweile werden Autoren, Regisseure und Stücke mit migrantischem Hintergrund selbstverständlich an deutschen Bühnen. Nachdem die komplizierte Situation von Einwanderern zunächst nur von eingesessenen Autoren und Regisseuren in Szene gesetzt wurde, die dabei oft den Eindruck erweckten, als habe das Theater moralische Therapielösungen für die Gesellschaft parat, ist der neue Stil der persönlichen Erfahrung erfreulich unsentimental. Azar Mortazavis erst zweites Stück Ich wünsch mir eins ist für diese Erdung des Themas ein Paradebeispiel. Ihre Hauptfigur, die allein lebende Leila, ist eine zielstrebige junge Frau, die sich von Konventionen und Enttäuschungen nicht daran hindern lässt, ihre große Sehnsucht nach einem Kind zu verfolgen. Sie reißt sich einen Mann in der Kneipe auf oder versucht, der Nachbarin ihr ungeliebtes Baby abzuschwatzen. Leila zerbricht nicht tragisch an ihren Misserfolgen, an der rohen Behandlung durch den falschen Mann, den sie sich ausgesucht hat, oder durch das Auftauchen ihres verschollenen Vaters, der leider nicht der Verkündigungsengel neuen Glücks ist, zu dem sie ihn verklärt hat. Leila meistert ihre Krisen mit einer emotionalen Robustheit, die sie zu einer ergreifenden Figur schöner Tapferkeit macht. Annette Pullen hat das Stück in Osnabrück in einer präzise konturierten Inszenierung trotzig lebensecht uraufgeführt.
Till Briegleb
Mit:
Leila: Andrea Casabianchi
George: Thomas Kienast
Sybille: Maria Goldmann
Sahid: Oliver Meskendahl
Regie: Annette Pullen
Bühne und Kostüme: Gregor Sturm
Dramaturgie: Anja Sackarendt