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Fräulein Agnes

Rebekka Kricheldorf: Fräulein Agnes / Foto: Georges Pauly
Deutsches Theater Göttingen

1 Stunde 50 Minuten



Stücke 2018

 

„Ich habe diese Paare satt. Diese Paare, die sich ständig an einen ranschmeißen, weil sie ihre Zweisamkeit nicht aushalten“, giftet Rebekka Kricheldorfs Fräulein Agnes in erfrischendster Misanthropie ins Publikum. Aber der Ekel am Homo sapiens beschränkt sich natürlich nicht auf Duos. Mindestens genauso schlimm: „Diese Singles mit ihrem verlogenen Geschwätz von Freiheit.“ Und erst die Künstler! „Diese Stipendien-Parasiten, die ihre müden kleinen Affären mit anderen Parasiten aufblasen zu welthaltigen Seelendramen“!
Logisch, dass Agnes, diese zeitgenössische Kulturbetriebs-Wiedergängerin von Molières „Menschenfeind“, erst dann von ihrem furiosen Auftakt-Monolog abtritt, wenn sie wirklich alle Milieus verbal pointiert in die Tonne getreten hat. Schließlich kann sie es sich leisten: Während um die kompromisslose Bloggerin herum hemmungslos geheuchelt und schlechte Kunst schöngelogen wird, verreißt sie selbst sogar heroisch die CD ihres eigenen Sohnes. Freilich aus echter Mütterlichkeit: „Weil ich dich liebe“, so Agnes zwingende Logik, „verdienst du nur das Beste, und das ist nun mal die Wahrheit.“
Die durchaus milieuübergreifenden Lebenslügen sowie die Frage nach Preis und Lohn zwanghafter Ehrlichkeit, die Rebekka Kricheldorf hier mit gewohnt grandiosem Sprachwitz aufwirft, gießt Erich Sidler mit dem Göttinger Ensemble in ein kongeniales Frömmler- und Schönrednerballett.
Christine Wahl

 

Uraufführung: 
22.9.2017, Deutsches Theater Göttingen

 

Mit: Marius Ahrendt, Florian Donath, Florian Eppinger, Angelika Fornell, Christina Jung, Rebecca Klingenberg, Christoph Türkay, Gaia Vogel

Regie: Erich Sidler
Bühne: Friedel Vomweg
Kostüme: Bettina Latscha
Musik: Jan-S. Beyer
Team: Valentí Rocamora i Torà

 

Stückabdruck: 
Theater heute, 11/2017