draußen tobt die dunkelziffer

Maxim Gorki Theater Berlin


Stücke 06

 

Theater des sozialen Sachverhalts
Das Theater ist angekommen in dieser Zeit, unvermittelt neuerdings. Es beschäftigt sich nicht nur mit dem emotionalen Reflex auf soziale Verhältnisse; es reportiert und kolportiert diese selbst. Die Arbeiten Kathrin Rögglas sind dafür das beste Beispiel. Ihr jüngstes, wieder doku-mentarisches Elaborat widmet sich geradezu empirisch dem Kaufrausch, ja, der Konsumneurotik unter der Herrschaft der ökonomie heutzutage. draußen tobt die dunkelziffer ist das Ergebnis ihrer Recherche zu den Folgen bei Schuldenmachern und Schuldenberatern.
Pleite sind, beweist die Statistik, nicht nur die öffentlichen Hände und unzählige Betrie-be. Verführt vom Warenangebot und von der Praxis des Erwerbs auf Pump, haben sich Millionen Haushalte in den Bankrott getrieben. Schicksale, die unserer Aufmerksamkeit über alle Moral, Theatralik oder Betroffenheit hinweg als Sachverhalt anheimgestellt werden. So kühl die Beschreibung, so distanziert die Beobachtung. Zeitgemäß ist das Stück inhaltlich wie in der Form.
Drei Bühnen haben sich schon bemüht, diesem Text, in dem die Personen Tatsachen und keine Charaktere sind, Leben und Anschaulichkeit mitzugeben. Nach der Uraufführung im Wiener Volkstheater, die ihn an eine vom Regisseur moderierte Show verschenkte, ordneten ihn die Münchner Kammerspiele hintersinnig ihrem Jahressammelthema Du sollst nicht sparen zu. Auch szenisch interessant gemacht wurde das Material zu einem aktuellen Phänomen erst in der Inszenierung Stephan Müllers am Gorki Theater Berlin: transparent und spielerisch plausibel mit unterschiedlichsten Einzel- und Gruppenfigurationen. Bis uns der Schluß mythologieverdächtig weg von den Fakten führt.
Dietmar N. Schmidt

 

Uraufführung: 
8.6.2005, Volkstheater Wien / Wiener Festwochen
Premiere: 
24.2.2006, Maxim Gorki Theater Berlin

 

Mit: Anya Fischer, Monika Lennartz, Ruth Reinecke, Ursula Werner, Thomas Bischofberger, Silvio Hildebrandt, Wolfgang Hosfeld, Rainer Kühn, Thomas Müller

Regie: Stephan Müller
Bühne: Hyun Chu
Kostüme: Marion Münch