Arbeitszimmer Gartenhäuschen
Als hätte man es nicht schon längst gewusst. Die raffiniertesten Steuerhinterzieher:innen sitzen dort, wo Steuerhinterziehung eigentlich ermittelt werden sollte. Elfi und Reiner zum Beispiel arbeiten im Finanzamt. So richtig tätig werden sie allerdings erst, wenn es darum geht, die eigene Steuer so zu mindern, das nicht einmal die mit allen Wassern gewaschene Kollegin Fatma etwas aufdecken könnte. „Watma hier kommt Fatma“ ist Betriebsprüferin und durchschaut alles, auch wenn das mit der Steuerhinterziehung nicht so ins Auge fällt wie zuletzt bei einem Zahnarzt, der sich kostbare Teppich für den privaten Gebrauch zulegte, sie als Praxisteppiche deklarierte und für die Betriebsprüfung demonstrativ im Behandlungszimmer auslegte. Dumm nur, dass die Tür zum Behandlungsraum nicht mehr geschlossen werden konnte.
Elfi und Reiner sind natürlich wesentlich cleverer und wissen ziemlich genau, wie man das mit dem zumeist ziemlich umstrittenen Arbeitszimmer am besten macht. Ein klitzekleines Schlafzimmer zum Beispiel ist nicht wirklich geeignet, auch wenn man darauf verweist, man habe ein ärztliches Attest und könne aufgrund eines Bandscheibenschadens nur noch im Bett liegend am Laptop arbeiten. Zielführender ist da schon, das eindeutig vom Wohnraum getrennte Gartenhäuschen als Arbeitszimmer zu deklarieren, in dem Reiner seiner nebenberuflichen Leidenschaft als Singersongwriter freien Lauf lässt und einen Großteil der steuerlichen Belastung im Splitting-Haushalt mindert. Reiner weiß, was geht. Im Finanzamt hält er es wie Gattin Elfi, die Steuererklärungen lieber durchwinkt als sie zu prüfen. Bea ist da ganz anders. Sie ermittelt in den wirklich wichtigen Fällen und legt sich schon mal mit Cum-Ex-Betrügern an, denen die besten Anwälte der Steuerrepublik zur Verfügung stehen. Das verbissene Engagement nützt nur nichts. Gerade hat man ihr Nele vor die Nase gesetzt. Die leitet jetzt die Abteilung und sorgt prompt für Beas Verbannung an einen Schreibtisch im Keller.
Felicia Zeller ist eine Spezialistin für die bürokratischen Irrgärten in Verwaltungsapparaten. Vor zwölf Jahren kümmerte sie sich in „Kaspar Häuser Meer“ um Mitarbeiter:innen eines Jugendamts und wurde mit diesem Stück zum ersten Mal zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Jetzt widmet sie sich dem Finanzamt – und zwar so, dass die Fünf vom Fiskus auf keinen Fall so langweilig sind, wie wir uns ihren Job vorstellen. Zellers Texte beruhen auf genauer Recherche.
Dass am Ende auch tatsächlich Theaterstücke daraus werden, hat damit zu tun, dass sie anrührende Figuren ins Rennen schickt und deren pointierte Monologe mit einem hohen Gehalt an Wortwitz ausstattet. Gespielt wird auf Barhockern mitten im Publikum und in einer idyllischen GartenlaubenAtmosphäre. Alles wirkt improvisiert, erlaubt aber ein derart tragikomisches Eintauchen in fiskalische Untiefen, dass man mit den Finanzbeamten mitfühlt. Die wollen zwar tagein tagaus an dein Geld ran, sind aber auch nur Menschen.
Jürgen Berger