+++ Szenen für Morgen: Live-Blog zum Thema Klimafolgenanpassung +++

Kunst im Angesicht der Krise


Gespräch

Martin Heckmanns' Stück „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“ hat so viele Ebenen und Themen, wie es Schlüsse hat. Ein Blick in den Saal macht deutlich: viele Menschen fühlen sich davon angesprochen. Zuschauer*innen wollen ins Gespräch kommen, über den Text, das Stück sowie Autor und Ensemble dahinter. 

Heckmanns erzählt die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten, nur anders. Zwar sind sie immer noch am Singen und immer noch zusammen, aber die Themen die sie hier umtreiben, sind Ausbeutung, die Klimakrise, der Kommunismus und das Sterben. Aus einer Blase der Klimaökologie heraus sei er inspiriert gewesen ein Stück zu schreiben, bei dem der Mensch zur Abwechslung nicht die Hauptrolle spielt, so Heckmanns. Dass das nicht nur funktioniert, sondern sogar großen Anklang findet, lässt ihn auch jetzt noch überrascht wirken. 

Was kann Kunst tun? 

Obwohl es ein Stück sei, das viele politische Themen behandle, sei es nicht der Diskurs gewesen, der für Dramaturgin Katja Prussas im Vordergrund gestanden habe. Es sollte vielmehr eine neue Version von Brechts Lehrtheater sein und dazu auch Spaß machen. Dass ein humorvoll angelegtes Stück über Tiere als Kindertheater wahrgenommen werden könne, war dem Ensemble bewusst, aktiv vermieden wurde das allerdings nicht, denn wie Regisseurin Friederike Heller feststellt: „Nichts ist toller als Kindertheater für Erwachsene“. 

Trotz Endzeit-Stimmung feiere der Text das, was die Kunst tun kann im Angesicht der Krise. Er habe hervorheben wollen, welche Möglichkeiten das Theater hat mit Singen, Tanzen und dem Genuss eines letzten Spiels, so Heckmanns. Das habe das Ensemble achtsamer werden lassen und zu mehr Sensibilität für das Thema Klimakrise geführt, erzählt Schauspielerin Katharina Brehl. Wichtig war dabei auch die Musik von Masha Qrella: Sie fühlte sich vom Text direkt inspiriert. In Rekordzeit habe sie erste musikalische Skizzen von Qrella zugeschickt bekommen, erzählt Friederike Heller. Viele von ihnen seien dann genau so in die Inszenierung übernommen worden. 

Ob es sich um ein Stück handelt, dass den Untergang durch die Klimakrise behandelt, oder doch die Auseinandersetzung mit dem Tod verlangt, das habe sich Schauspieler Clemens Dönicke während der Proben oft gefragt. Bei so schwerwiegenden Fragen stehe die Tierdarstellung eher wie ein Gimmick dar. Für das Ensemble ist sie deshalb aber nicht von weniger Wert: „Wir hatten uns eigentlich den Preis für die beste Tierdarstellung erhofft“, heißt es vom Podium. Lachen im Publikum, und – wer weiß – vielleicht genug Sympathiepunkte bei der Festivalleitung für einen Preis, der bisher in Mülheim noch nicht existiert. 

Immer wieder macht das Mikrofon seinen Weg durch den Saal. Ein Zuschauer äußert seine Unzufriedenheit mit der Menge der Themen, die angerissen, aber dann kaum in der Tiefe behandelt würden. Gerade das habe sie allerdings am Text gereizt, erzählt Heller. Wir seien in einer Zeit, in der uns Krisen überrollen, man verliere schnell die Hoffnung. Und dann gebe es die Dinge, die uns verbinden, auf die man sich fokussieren könne, die uns die Hoffnung wiederfinden lassen. 

Künstlerische Kniffe 

Am Ende stehen zwei große Frage im Raum: die nach dem Schluss und die nach dem Sinn der Pause. Dass die nicht für einen Umbau genutzt wurde, sorgt für Unmut. Friederike Heller begründet die Entscheidung als persönliche Präferenz, für Schauspieler Jakob Benkhofer markiere die Pause auch einen Bruch in der Handlung: Nach der Pause sei ein Großteil des Theaterzaubers verflogen, es werde mehr reflektiert und man sei näher am Boden der Realität. Die durch Benkhofers Monolog zum Schluss noch hervorgehoben werde. 

Und Heckmanns? Der bezeichnet sein Stück als eines mit vielen Schlüssen. Schließlich sei es ein vom ersten Wort an aufgeschobenes Ende, ähnlich wie bei Klimabewegungen. Selbst wenn mal ein Ziel erreicht worden sei, gebe es nie den einen Erlösungsmoment, weil es immer weitergehe. Doch am Ende sei man, wenigstens im Stück, froh gemeinsam gekämpft zu haben.