15. Mai 2021 •
Vorurteile eingebrannt.
In den Kopf meiner Eltern
bis hin in meine Gedanken.
Ich lese und lese,
um aufzuholen,
was ich nicht verstehe.
Und ich schreibe
und verbrenne Zeilen.
Meine eigenen.
Schlechte Versuche
in Worte zu fassen,
was ich nicht verstehe.
Ich, die niemals
Bücher brennen sehen wollte.
Mein Vater ist enttäuscht,
weil ich die Jahreszahlen
nicht kenne.
Ich weiß nicht,
wann was ist,
was wann war.
Die Jahreszahlen
verschwimmen.
Ich kann nichts einordnen.
Nicht zuhören.
Nicht klar sagen,
das ist dann
und da passiert.
Ich kann nicht mal
das Jahrhundert
bestimmen.
Ich blicke hoch
in das Gesicht,
das so viel zu erzählen hat.
Von früher
und von heute,
von den Zusammenhängen.
Der so viel gemacht hat.
Auf den Straßen war
für das Klima
und gegen die Ungerechtigkeit
und den Faschismus.
Der noch heute Gedenken organisiert.
Gedenkt.
Und mit Gedanken
in der Vergangenheit ruht.
Unruht.
Was heute so passiert,
ist ein bisschen fremd
und er will sich nicht verschließen,
aber.
Jetzt schüttet er sich zu
mit Worten von damals.
Rennt der Aufarbeitung hinterher
und stößt dabei
Papierstapel um
aber keine Gedanken
mehr an.
Vergangenheit in Kisten
konserviert. Kisten,
die den Weg versperren.
Die eine Generation
blickt die andere an.
Versucht ihre Gedanken zu lesen
und ihnen den Zutritt in die eigenen
zu verwehren.
Das war doch damals.
Das ist doch naiv zu glauben.
Spätestens jetzt muss man
intersektional denken.
Und wozu all diese Begriffe?
Es wird doch nicht besser,
nur weil man es benennt.
Man muss doch
die Betroffenen sprechen lassen.
Hör doch einfach mal zu!
Natürlich ist es wichtig
zuzuhören. Den Betroffenen.
Aber ich muss doch auch
meine Meinung dazu sagen dürfen.
All das hatten wir schon.
All das schweigt jetzt beim Essen.
Nur das Knistern der Gedanken,
Rauch des Unausgesprochenen
zischt aus den Mundwinkeln.
Von Marlen Stuka