N 51° 26.324580 E 6° 49.382100


Gespräch

Nach der Inszenierung des Stücks Mitwisser lassen das Ensemble des Schauspielhaus‘ Wien und die Autorin Enis Maci lange auf sich warten. Von denjenigen Zuschauer:innen, die sich das Kommentieren während der Inszenierung nicht verkneifen konnten, ist nichts mehr zu sehen und zu hören. So dringend waren ihre Anmerkungen anscheinend doch nicht. 

Generell ist das Publikum nicht sehr gesprächig an diesem Abend. Vielmehr ist das Publikumsgespräch ein Gedanken-Schweifen-lassen, ein „Überleggespräch“, ein Gespräch ohne Antworten. Auf die zugegebenermaßen komplizierten Fragen des Moderators Sven Ricklefs wissen die meisten nicht zu antworten. Nachdem schnell festgestellt wird, dass Enis Maci sich weniger auf die – in ihrem Stück behandelten – realen Taten, sondern eher auf die Mitwisser fokussiert, stellt Sven Ricklefs die Schuldfrage: „Nimmt die Mitwisserschaft etwas von der Schuld der Täter?“ Enis Maci weiß es nicht. Diese Frage sei nicht so klar zu beantworten. Es wird nicht ganz verständlich, warum sie gerade diese Frage, die sich doch deutlich durch ihr Stück zieht, unbeantwortet lässt. Doch Maci gibt sich gelassen. Eine typisch junge Künstlerin, die keine schlauen Erklärungen bemüht, sondern unterschiedliche Antworten zulässt.  

„Ach Gott, erklären!“

Sven Ricklefs will wissen, warum die Bühnenbildnerin Elisabeth Weiß im Zusammenhang mit der Inszenierung mal von einer „digitalen Brechtbühne“ gesprochen habe. Weiß kommt nach vorn und setzt sich auf den Stuhl von Schauspieler Sebastian Schindegger, der für den Rest des Abends vom Podium verschwindet. „Ach Gott, erklären!“, beginnt Weiß und erklärt nach kurzem Überlegen, dass auch Brecht sehr klare Vorstellungen und definite Beschreibungen über seine Stücke hatte, die sie mit den genauen Koordinaten-Angaben und der detaillierten Regieanweisung vergleichbar fand. Als Enis Maci sagt, sie habe in ihrem Stück „vielleicht aus Versehen“ Bezüge zu Brecht hergestellt, müssen einige Zuschauer:innen lachen. 

Die Frage, ob sie sich während ihrer Recherche im Darknet herumtreiben musste, beantwortet die Autorin mit einem klaren Nein. Das sei nicht mehr nötig gewesen, da man im Internet genug, teilweise sogar sehr private Informationen finden könne. Nach Ende der Recherche war ein Digital Detox nötig. 

„Habe ich Ihre Frage überhaupt beantwortet?“ – „Joa, so mittel.“

Dann, endlich eine Publikumsfrage. Ein Zuschauer drückt sowohl seine Freude übers Stück aus, als auch Kritik: „Was mir völlig fremd geblieben ist, war die letzte Viertelstunde.“ Daraufhin verteidigt der Regisseur sich zwar mit: „Ich kann zu Ihrer Fremdheit nichts sagen.“, erklärt seine Inszenierung aber im Nachhinein doch noch ein wenig und versucht zu verstehen, wieso der Zuschauer „monotone Einfallslosigkeit“ auf der Bühne gesehen hat.

Nach einer recht lauten und inhaltlich tiefgründigen Inszenierung ist dieses ruhige, wenig ergiebige Publikumsgespräch ernüchternd. Dennoch rückt es  die Inszenierung und das Stück nicht in ein schlechtes Licht. Das Schauspielhaus Wien und die Autorin scheinen erdrückt von der intensiven Beschäftigung mit dem Thema „Mitwisserschaft“, sodass nicht viel Energie für das Publikumsgespräch bleibt und Fragen „so mittel“ beantwortet werden.