Wenn ich schlafen will


Kolumne

Man sitzt in einem unbequemen Stuhl des Theatersaals, die Inszenierung beginnt, nimmt ihren Lauf und dann fängt man an – zu gähnen. Und kann nicht mehr aufhören. Ja, das kommt vor. Sicher nicht bei den „Stücken“. Aber letztens noch saß ich im Theatersaal und es gab tausend Orte, an denen ich lieber gewesen wäre.

Die Inszenierung ist erschöpfend. Die Dialoge sind plump, das Thema uninteressant und was sollen nur diese Kostüme bedeuten? Leider komme ich aus der Mitte meiner Stuhlreihe nicht heraus, ohne jemanden zu belästigen oder von allen angestarrt zu werden. Andere, die am Rand sitzen, haben mehr Glück und verlassen den Theatersaal. Also heißt es: durchhalten. Doch, was kann ich nun machen? Schlafen wäre eine Möglichkeit, doch wenn man dann anfängt zu schnarchen, einem Sabber aus dem Mund läuft, man sich an die Schulter des:der Sitznachbar:in kuschelt, dann kann es schon einmal zu unangenehmen Situationen kommen. Eine Alternative muss her, bevor ich doch anfange, zu… Ein Ranking! Was könnte ich alles in diesen zeitverschwenderischen Stunden besser machen? Das Geschirr muss doch noch gespült werden, eine Freundin möchte noch mit mir telefonieren, ein Bad wollte ich auch schon lange nehmen. Es kam auch eine neue Folge meiner Lieblingsserie heraus – und die letzte Folge endete mit einem Cliffhanger! Was ist nun passiert? Ist er wirklich gestorben? Ich werde nervös von dieser quälenden Frage, die nun unbeantwortet bleiben muss. Doch keine gute Idee. Also wieder Blick auf die Bühne. Ach, diese eine Szene erinnert mich an den letzten Urlaub, als ich eine Schiffstour durch den Oslofjord gemacht habe, da ging es außerdem um die Prohibition Anfang letzten Jahrhunderts, Menschen versteckten den Alkohol in Bootshäusern. Wie ich als Jugendliche auch den Alkohol vor meinen Eltern versteckte und verschwieg, wenn ich auf Partys trank. An dem einen Abend war es doch so schlimm, dass ich den Schlüssel nicht mehr ins Schlüsselloch bekam und meine Eltern aus dem Schlaf ... huch was war das denn? Laute Trommeln lassen mich hochfahren und ich merke, dass ich noch immer im Theatersaal sitze. Ich blicke auf die Uhr. Noch eine Stunde. Puh, das zieht sich aber. Unruhig rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her. So ein Kinosessel wäre doch gut. Die Architekt:innen sollten sich mehr nach den Wünschen der Theaterbesucher:innen richten. Bequemere Sessel, dunkleres Licht, eine Getränkehalterung und vielleicht Kopfhörer, um etwas Besseres zu hören. Aber ich möchte nun auch nicht fies sein. Unauffällig beobachte ich die übrigen Gäste. Was fasziniert sie an diesem Stück? Wohl auch nicht viel. Ich sehe Leute gähnen, einer schläft ein paar Reihen vor mir. Den Kopf nach oben und den Mund leicht geöffnet. Wird er gleich anfangen, zu schnarchen? Gespannt beuge ich mich nach vorne und verfolge seinen Schlaf. Doch dann kippt sein Kopf nach unten und er schreckt hoch. Mist. Ein Mädchen tippt auf ihrem Handy herum. Auch ein guter Zeitvertreib. Aber das Licht nervt andere, die sie böse anstarren. Sie ist so fasziniert von der virtuellen Welt, dass sie nichts um sich herum wahrnimmt. Zwei Leute unterhalten sich leise vor mir. „Wie lange dauert das denn noch?“, fragt die Frau ihren Mann. „Ich glaube, nur noch eine halbe Stunde“, antwortet dieser. „Passt das denn mit der Reservierung?“ „Ja, man kann bis zu einer Viertelstunde später kommen.“ „Aber wenn die den Tisch doch abgeben, es ist bestimmt voll.“ „Das passt schon.“ „Sollten wir nicht lieber gehen?“ „Psssst“, die beiden blicken sich erstaunt um. Zwei Plätze neben mir sitzt eine Frau, die das Stück interessiert verfolgt. Ich blicke mich weiter um und sehe, dass auch andere gespannt das Geschehen auf der Bühne betrachten. Es gibt eben verschiedene Geschmäcker. Ich versuche, dem Stück in den restlichen Minuten noch eine Chance zu geben. Aber beim nächsten Theaterbesuch nehme ich mir ein Sudoku mit. Vorsichtshalber.