+++ Festivalmagazin auf nachtkritik.de +++ Szenen für Morgen: Live-Blog +++

Abschied in Mülheim


Kolumne

In der Wohnung kommen wir ins Gespräch. Wir öffnen eine Flasche Wein und kommen endlich dazu, in aller Ruhe sämtliche Stücke zu diskutieren. Unsere Meinung zum Text, zur Inszenierung, wo widersprechen wir der Jury, wo hat sie uns aus dem Herzen gesprochen, welches Stück wird uns wieder ins Theater locken und welches treibt unsere Meinung auseinander. Am Ende des Tisches wird der Text über die Jurydebatte geschrieben, während die Stunden verstreichen. Von witzigen O-Tönen der letzten Wochen über Tauben wandert das Gespräch zu den essbaren Teilen von Hühnern und Fischen, anschließend weiter zu guten Filmregisseuren.

Die Fenster sind offen, der Aschenbecher steht auf der Fensterbank bereit für die ein oder andere nachdenkliche Zigarette. Einige Fenster des Innenhofs sind noch immer erleuchtet, während der Himmel langsam von schwarz zu blau wechselt.

Ich glaube du meintest nicht so alt.

Ich meinte nicht so lange her, aber das hab ich leider nicht gesagt.

Ist ja auch schon spät.

Nee, früh.

Ahh!

Auf jeden Fall hell…

Ich mag das Licht!

Ultra.

Könnte ein Stücktext sein.

Nächstes Jahr sehen wir uns also hier wieder. Wenn wir mit unserer Stückentwicklung nominiert sind. Begeisterung, Lachen, Nachdenken. Wir entscheiden, dass der Vorschlag vielleicht doch etwas utopisch ist, bleiben aber bei der Idee des Wiedersehens. Wir unterhalten uns weiter und landen wieder bei der Jurydebatte. Kommentare des Widerspruchs sind bereits ausreichend gefallen. Manche Sachen haben die Juror:innen aber doch sehr gut auf den Punkt gebracht. Muss ja auch mal gesagt werden.

E= mc², aber das ist Physik.

Physik kann ich gar nicht.

Das ist angewandte Mathematik.

Ja, wir können auch anders. Aber langsam wandert ein Gähnen durch den Raum. Es ist tatsächlich nicht mehr spät, sondern schon früh und es kommt wie es kommen muss: ein einheitlicher Beschluss, schlafen zu gehen. Nur die fleißige Schreiberin ist noch in ihren Text vertieft.

Zum Bahnhof sind es 278 Meter. Die endlosen Treppen im Hausflur hinab, einmal herum und noch einmal und noch immer ist es das falsche Stockwerk und jedes Mal denkt man, man sei nun am Ziel. Doch erst wenn uns die Dunkelheit eines Kellers umfängt, werden wir am Ausgang angelangt sein. Durch die Mülheimer Innenstadt, durch das Forum und schon werden wir am Gleis stehen. In kleinen Grüppchen auf unsere Züge wartend. Einer wird in Essen aussteigen, die nächste in Bochum, zwei in Dortmund, eine muss bis nach Bielefeld. Alle werden wir nachhause gehen, müde und lächelnd über den Abend und die letzten drei Wochen.

Doch vorher: Frühstück! Der Kaffeeduft wabert schon durch die Wohnung, das Obst ist geschnitten, Teller und Tassen stehen bereit, Brötchen sind unterwegs. Noch ist es nicht vorbei!