Warum noch Text?


Diskurs

Text auf Bühnen. Bühnen aus Text. Geschriebenes wird zu Gesprochenem wird zu Gehörtem. Gesehenem. Text auf Bühnen schafft Raum. Text auf Bühnen begrenzt Raum. Wollen wir Text auf Bühnen?

Um ganz tief in den Sumpf des verworrenen Diskurses einzutauchen: Was ist überhaupt noch eine Bühne? Ist nicht das Dasein zum Multiversum von Bühnen geworden, auf denen wir permanent in irgendeiner Form unsere Texte präsentieren? Freiwillig wie unfreiwillig, bewusst wie unbewusst? Und was wäre in diesem Zusammenhang sie, die Große, die mit einem Rattenschwanz an Traditionen und Vorurteilen Behaftete, sie, die sich hinstellt und sagt: „Auf mir repräsentiert sich die Welt“ – die Theaterbühne?

Denn sie ist noch da. Sie sieht sich weiterhin als Verhandlungsort für die Welt da draußen. Sie schaut sich die Gegenwart genau an. Und dann verhandelt sie sie – mit ihren sehr eigenen Mitteln. Siebenmal wird hier in Mülheim nun gezeigt, wie Gegenwart verhandelt werden kann. Bei aller Freude an der Vielfalt der Mittel kehrt die Aufmerksamkeit zum Ursprung zurück: Text. Stücke. Für Bühnen. Auf Bühnen. Und doch: als Text.

Es wird noch geschrieben für Bühnen – auch das 21. Jahrhundert sieht sich gerne verhandelt auf den zuschreibungsüberlasteten Brettern, die sich ungeachtet aller historischen Altlasten jeden Abend ein bisschen neu erfinden können. Die Auswahl macht Aufwand, produziert aber auch Aufwind – für die Freude an Text, für unterschiedlichste Inhalte, die sich breit auffächern und doch immer wieder in Details begegnen. Geschichten paddeln im Ozean der Sprachraffinessen; mal halten sie sich unter der Oberfläche, mal tauchen sie hoch und werfen uns ihre Figuren ins Gesicht. Bühne frisst Narration, aber Narration kann auch Bühne fressen. Oder ist die Narration nur noch eine Idee im unendlich offenen Verhandlungsspielraum eines hyperverzweigten Jetzt, das sich seine Probleme aussuchen kann und dennoch über sie stolpert?

Sieben neue Stücke sind gewählt. Sieben Erstinszenierungen sind geladen. Die Bühnen interpretieren, die Jury wird prämieren. Die Spannung steigt.